Neues Linksprojekt "DiEM 25" will eine radikale Demokratisierung der EU und eine europäische Verfassung.
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Berlin. Als am Dienstagabend das Imagevideo vom "Democracy in Europe Movement 2025" in beruhigenden Bildern über die Leinwand im Großen Saal der Berliner Volksbühne flimmert, hat Yanis Varoufakis bereits einen langen Tag hinter sich. Seit der Pressekonferenz morgens riss der Andrang nicht ab. Auch die Karten für die Veranstaltung am Abend sind seit Wochen ausverkauft. Im Foyer des Theaters konnte man sich vor Beginn kaum noch rühren. Aber immerhin war der ehemalige Finanzminister Griechenlands nach Berlin gekommen, um Europa zu retten. Ein großspuriges Ziel, das Neugierde weckt.
DiEM25 heißt das paneuropäische Netzwerk, das Varoufakis gemeinsam mit seinen Mitstreitern gegründet und am Dienstag am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz aus der Taufe gehoben hat. Seit Herbst letzten Jahres arbeiteten Varoufakis und Co am dazugehörigen Manifest. Es zeichnet das Bild einer hoffnungs- und hilflosen EU. Im Moment gebe es nur zwei Wege für die Union: Entweder die Länder kehrten in ihren Kokon des Nationalstaates zurück oder sie akzeptierten die "demokratiefreie Zone in Brüssel".
Varoufakis und seine intellektuellen Mitstreiter arbeiten sich an diesem Abend an der gesamten EU-Politik der vergangenen Jahrzehnte ab. Die Liste der Redner, die neben Varoufakis die Bühne betreten, ist bemerkenswert. Elf Gäste sind physisch anwesend, vier digital. Zu den Highlights des Abends zählen wohl Wikileaks-Gründer Julian Assange, der live aus der ecuadorianischen Botschaft in London zugeschaltet wird, und der Philosoph Slavoj Zizek, der eine Videobotschaft schickt, die die kürzeste Rede sei, die er je gehalten hat - behauptet zumindest der Musiker und Aktivist Brian Eno, der nach ihm die Bühne betritt. Außerdem wird DiEM25 an diesem Abend von Politikern wie Rui Tavares (Partido Livre, Portugal), Katja Kipping (die Linke, Deutschland), Caroline Lucas (Green Party, Großbritannien), Miguel Urbán Crespo (Podemos, Spanien) präsentiert.
Was DiEM25 will, ist eine Generalüberholung der EU. Ein verfassungsgebender Prozess von unten, die Ausarbeitung einer europäischen Verfassung, und das bis ins Jahr 2025. Den bisherigen Kurs der EU beizubehalten mache laut Varoufakis keinen Sinn, denn "den Aufwand zu verdoppeln, wenn man weiß, das Projekt ist gescheitert - das ist Fanatismus". Das Versagen sei in der Flüchtlingsdebatte, der sinkenden Wirtschaftsleistung und an den weitreichenden Folgen der Bankenkrise deutlich zu erkennen, sagt er. Es gebe eine Entpolitisierung der Entscheidungsfindung in Brüssel und eine voranschreitende Desintegration der EU-Mitglieder.
Doch allen voran bemängelt DiEM25 an diesem Abend die fehlende Transparenz der EU. Deshalb wolle die Bewegung auch gleich am Mittwochmorgen eine Kampagne starten, um zu fordern, dass die Treffen des Europäischen Rates und der Eurogruppe per Livestream übertragen werden, kündigt Varoufakis an.