In den angloamerikanischen Ländern tun es rund ein Prozent aller Männer, in Österreich und Deutschland nicht einmal ein Promille. Dabei bietet die Vasektomie - die Sterilisation des Mannes durch die Unterbindung der Samenleiter - mit einem einfachen und heute bereits skalpelllosen Eingriff die Möglichkeit einer dauerhaften Empfängnisverhütung. Nur in 0,03 Prozent aller Fälle kann es durch spontane Rekanalisation zu unerwünschter Zeugungsfähigkeit kommen, Komplikationen als Folge des Eingriffs sind selten.
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Eine seit Menschheitsgedenken dominierende Sichtweise ändert sich nur langsam. Für die Verhütung sei die Frau zuständig, hieß es über Jahrtausende in nahezu allen Gesellschaften und Kulturen, Männer fühlten sich nur für die Zeugung verantwortlich. Auch heute ist diese patriarchalische "Aufgabenteilung" quer durch alle Kulturen bestimmend, wird aber in partnerschaftlich orientierten Gesellschaften mehr und mehr in Frage gestellt.
"Bei modernen Männern in unseren Breiten gibt es eine wachsende Bereitschaft, Verantwortung für die Verhütung zu übernehmen", konstatiert Günther Dobrovits, Facharzt für Urologie in Wien. Dabei seien die Möglichkeiten für den Mann trotz moderner Wissenschaft bis dato sehr beschränkt. Aktuell habe er nur die Wahl zwischen dem sehr riskanten Koitus Interruptus, dem mäßig sicheren Kondom und der Sterilisation.
Die Präferenz von Dobrovits geht - eine abgeschlossene Familienplanung vorausgesetzt - klar in Richtung Vasektomie. Er führt schon seit 30 Jahren den Eingriff durch und ist mit mehreren tausend durchgeführten Operationen ein Spezialist in seinem Fach. Anders als bei den beiden anderen Verhütungsformen biete die Vasektomie die Möglichkeit einer dauerhaften Empfängnisverhütung. "Sie ist für Männer geeignet, die sich nach eingehender, reiflicher Überlegung entschieden haben, keine eigenen Kinder mehr zu zeugen und die Verantwortung für die Verhütung selbst zu übernehmen."
Sterilisation bei der Frau Bauchoperation mit Narkose
Alexandra Bösch-Kemter vom Ambulatorium am Fleischmarkt in Wien schlägt in dieselbe Kerbe: "Ist sich ein Paar sicher, dass das Thema Familienplanung abgeschlossen ist, so ist die Vasektomie die einfachste Alternative hinsichtlich einer dauerhaften Empfängnisverhütung." Während die Sterilisation der Frau eine laparoskopische Bauchoperation bei Vollnarkose ist, sei die Vasektomie heute ein kleiner Eingriff mit minimalem Risiko.
Schon bei ersten Beratungsgesprächen erhält Bösch-Kemter von Männern weit mehr Resonanz als früher: "Sie sind zunehmend bereit, ihre Frau oder Freundin nach vielen Jahren Pillenkonsum zu entlasten und selbst etwas für die Verhütung zu tun".
Im Ambulatorium am Fleischmarkt, einem privaten Institut "...für Schwangerenhilfe und Sexualmedizin", wurde in den letzten zehn Jahren ein entsprechend hoher Anstieg an Vasektomien von jährlich zwölf bis 16 Prozent verzeichnet. "Im Vorjahr waren es 350 und heuer dürften es erneut deutlich mehr werden", erwartet Bösch-Kemter.
Noch bemerkenswerter fällt der Vergleich mit Sterilisationen bei Frauen aus. "Im Vorjahr hatten wir erstmals mehr Vasektomien als Sterilisationen bei Frauen - und das gleich um 33 Prozent", so Bösch-Kemter. Auch wenn das wachsende Angebot an Verhütungsmitteln, vor allem der Trend zur Hormonspirale, eine Rolle gespielt habe, sei es ein Hinweis auf die wachsende Akzeptanz der Vasektomie.
Samenleiter werden unblutig isoliert und durchtrennt
Mit der Einführung der "No-Scalpel-Vasectomy" (messerlose Samenleiterunterbindung) vor rund fünf Jahren ist die Vasektomie - Fachwissen und Routine des Arztes vorausgesetzt - noch unkomplizierter und "sauberer" geworden. Nach örtlicher Betäubung (Lokalanästhesie) werden die Samenleiter mit Hilfe spezieller Instrumente unblutig isoliert und dann durchtrennt. Die dafür notwendige Hautöffnung im Hodensack des Mannes ist so klein, dass zum Verschluss der Wunde keine Nähte erforderlich sind. Insgesamt beträgt die Dauer des Eingriffs weniger als eine halbe Stunde.
Auch nach erfolgter Vasektomie werden die Samenzellen im Hoden gebildet, doch nun ist der Weg Richtung Samenblase und Prostata blockiert und damit eine Verbindung von Samenzellen mit der Samenflüssigkeit unmöglich. Etwa zwölf Wochen nach der Operation ist die Samenflüssigkeit im Regelfall frei von Samenzellen und der Mann damit nicht mehr zeugungsfähig. Die laufend weiter gebildeten Samenzellen werden im Nebenhoden von körpereigenen Zellen abgebaut. Sie führen entgegen vieler Männerängste zu keinem "Rückstau".
Auf Hormonproduktion
keinerlei Einfluss
Auch eine andere, häufig geäußerte Sorge kann Urologe Dobrovits entkräften: "Die Samenergussmenge besteht zu mehr als 95 Prozent aus Prostataflüssigkeit und zu weniger als fünf Prozent aus Samenzellen und ändert sich damit nach der Operation nicht merkbar." Auf die Hormonproduktion hat die Unterbrechung der Samenleiter keinerlei Einfluss. "Erektionsfähigkeit, Potenz, Lustgefühl und Liebesfähigkeit werden nicht beeinträchtigt", erklärt Dobrovits und verweist auf das Feedback seiner Patienten und auf umfassende wissenschaftliche Studien zu diesem Thema.
Nach einer Vasektomie ist für einige Tage Schonung angesagt. Schwere körperliche Anstrengung und Sport sollten für eine Woche vermieden werden, Sexualverkehr ist erst nach einer Woche ratsam. Der leichte Druckschmerz sei im Regelfall nach einigen Tagen nicht mehr spürbar, meint Dobrovits. Nur in einigen Fällen halte sich ein Ziehen bis in den Bauchraum über einen längeren Zeitraum. Komplikationen in Folge einer Vasektomie treten sehr selten auf. "In Ausnahmefällen kann es zu einer Nebenhodenentzündung kommen oder - wenn etwa Samenflüssigkeit austritt - zu Samengranulomen", gibt Dobrovits zu. Diese Probleme ließen sich aber rasch beheben.
Auf der Haben-Seite steht dagegen die sichere Verhütung durch die Vasektomie. Sie gilt als mit Abstand verlässlichste Verhütungsmethode für den Mann. "Hundert Prozent Sicherheit gibt es nicht, ein Restrisiko kann man niemals ausschließen", stellt Dobrovits klar. Aber bei technisch einwandfreier Durchführung der Operation komme es - statistisch gesehen - nur in 0,03 Prozent aller Fälle durch spontane "Rekanalisation" zu unerwünschter Zeugungsfähigkeit. Reduziert werden kann dieses Risiko durch zwei bis drei konsekutive Untersuchungen der Samenflüssigkeit nach drei Monaten. "Findet man dann keine Spermien mehr in der Flüssigkeit, dann ist eine Zeugungsfähigkeit äußerst unwahrscheinlich", so Dobrovits.
Rückoperation ist möglich und meist erfolgreich
Ändert ein Mann nach erfolgter Vasektomie seine Meinung und plant, wieder Kinder zu zeugen, so ist eine Rückoperation prinzipiell möglich. Für diese ist aber nicht mehr der Urologe zuständig. Sie wird von spezialisierten Mikrochirurgen durchgeführt und ist meist auch erfolgreich. Die Erfolgsrate liegt aber deutlich unter der der Vasektomie. Dazu kommen Kosten von rund 2.500 Euro für eine Rückoperation. Alles in allem sollte man die Entscheidung zur Vasektomie als eine endgültige betrachten, empfehlen Dobrovits und Bösch-Kemter unisono.
Diesen Ratschlag scheinen die Männer bislang beherzigt zu haben. "Seit wir Vasektomien durchführen, hat sich noch kein einziger Mann wegen einer Rückoperation an uns gewandt", sagt etwa Bösch-Kemter stolz. Im Gegensatz dazu gebe es bei Frauen doch hin und wieder Fälle, in denen nach einer "Tubenligatur" (Anm. Sterilisation bei der Frau) wieder der Wunsch nach einem Kind stark werde. "Da wird inzwischen aber eher eine künstliche Befruchtung durchgeführt, denn die ist schonender und die Erfolgsquote ist größer", so Bösch-Kemter.
Sterilisation gesetzmäßig ab 25 Jahren erlaubt
Altersmäßig entscheiden sich Männer wie Frauen im Durchschnitt ab Mitte 30 für die Sterilisation, Männer bis etwa 65 Jahren. Statistische Zahlen über Vasektomien bzw. Tubenligaturen gibt es in Österreich - dank fehlender Meldepflicht - aber keine. Laut Gesetz ist die Sterilisation ab 25 Jahren erlaubt, ein Lichtbildausweis genügt in der Regel für den Nachweis. Wahrgenommen wird sie von Menschen aller sozialer und beruflicher Gruppen, "am wenigsten vielleicht von Menschen aus ländlichen Regionen und Arbeitern", wie Bösch-Kemter meint. Bei den Männern lässt sich dabei eine Art Rudelverhalten beobachten. "Oft kommen mehrere Männern nacheinander aus derselben Berufsgruppe oder demselben Unternehmen. Wenn einer einmal den Schritt gewagt hat und positiv darüber berichtet, spricht sich das schnell herum", meint Bösch-Kemter.
Die Kosten einer Vasektomie (Anm. im Ambulatorium am Fleischmarkt 580 Euro inklusive Nachuntersuchungen) hält sie für kein Kriterium. Die Entscheidung dazu werde selten aus finanziellen Überlegungen getroffen. Aber selbst in diesem Fall "rechne" sich der Schritt. "Eine moderne Pille kostet pro Jahr rund 130 Euro, eine moderne Spirale für fünf Jahre 370 Euro", so Bösch-Kemter. Nachsatz: Von den Krankenkassen gibt es sowieso keinen Zuschuss.
Informationen:
Günter Dobrovits, Urologe, Wien http://www.hcs.at/dobrovits; (01)5863376
Ambulatorium am Fleischmarkt, Wien http://www.asfleischmarkt.at; (01)5129631