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Wer grüner Spitzenkandidat für die kommende Wien-Wahl wird, entscheidet sich zwischen David Ellensohn und Peter Kraus.
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Wien. Die Grünen stehen vor einer Richtungsentscheidung. Die Karten werden neu gemischt. Maria Vassilakou, langjährige Spitzenkandidatin, soll laut Informationen der "Wiener Zeitung" bei der nächsten Wien-Wahl nicht mehr antreten. Mögliche Nachfolger können sich ab Montag für den vakanten ersten Listenplatz bewerben. Dabei wird es wohl auf ein Duell zwischen erfahren und unverbraucht, zwischen Klubobmann David Ellensohn und Gemeinderat Peter Kraus hinauslaufen. Wer sind die beiden?
"Null geehrte Herren, (. . .) ihr Wixer." David Ellensohns Ankunft als Grüner im Gemeinderat ereignet sich vor 17 Jahren mit einer E-Mail, die für Aufregung sorgte. "Eure Fickfantasien könnt ihr euch in den Arsch schieben. Grußlos", schreibt er an die Junge ÖVP Penzing. Zuvor hatten die Jung-Schwarzen auf ihrer Homepage über das Sexualleben der Grünen spekuliert: "Bekifft fickende Grüne?"
Seiner Karriere schadet der Mailverkehr nicht. Ellensohn (55), weißer Kurzhaarschnitt, glatt rasiert, Sakko und Hose schwarz, steigt schnell in der grünen Hierarchie auf, riskiert eine Auseinandersetzung mit dem damaligen Klubobmann Christoph Chorherr, setzt sich durch. Als nicht amtsführender Stadtrat wird er die Nummer zwei hinter Klubobfrau Vassilakou, die Chorherr nachfolgt. Ein Kompromiss, auf den sich alle in der Partei einigen können. 14 Jahre lang steht Ellensohn im Schatten Vassilakous. Geht es nach ihm, soll sich das nun ändern.
Politisch verankert ist Ellensohn in der Antifa-Bewegung, er tritt zudem für soziale Gerechtigkeit ein. Mit Erfolg. 2003 wird auf seine Initiative hin das Ehrengrab des Nazi-Piloten Walter Nowotny auf dem Zentralfriedhof aberkannt. Auch das Deserteursdenkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz auf dem Ballhausplatz ist ihm zu verdanken.
Flecken auf David Ellensohns weißer Weste
Durchgesetzt hat er sich ebenso beim Gedenken an den Sieg der Alliierten über das Nazi-Regime am 8. Mai. Aus dem jährlichen Totengedenken der Burschenschafter auf dem Heldenplatz wurde 2013 das Fest der Freude. Weiters setzt er sich erfolgreich für die Abschaffung des kleinen Glücksspiels ein, das 2015 verboten wird.
Flecken bekam Ellensohns weiße Weste jedoch im vergangenen Jahr. Sein größter politischer Rückschlag war die Abstimmung rund um das Investorenprojekt am Heumarkt. Als sich die grünen Gegner des Projekts in einer internen Urabstimmung durchsetzten, beauftragte ihn Vassilakou, eine Mehrheit im grünen Klub für die Umwidmung des Projekts zu finden. Er setzte sich damit über das eigentlich bindende Ergebnis der Abstimmung hinweg. Er hatte jedoch Glück, dass der Schuldige für das grüne Desaster nicht er, sondern Vassilakou wurde.
Ellensohns Konkurrent Peter Kraus (31) blickt auf ein kurzes Politikerleben zurück. Vor drei Jahren schaffte der Volkswirt und Sprecher der Grünen Andersrum den Sprung ins Rathaus. Dementsprechend hat er noch wenig vorzuweisen. Einmal setzte er sich für Mehrwegbecher ein. Sonst bleibt er unauffällig.
Kraus präsentiert sich gerne als aktiver Vertreter seiner Generation. "Ich wollte nicht danebensitzen und zusehen, wie Entscheidungen getroffen werden, die meine Generation betreffen", antwortete er einmal dem "Standard" auf die Frage nach seiner Motivation, in die Politik zu gehen. Wichtig ist Kraus ein gepflegtes Äußeres. Seine Frisur sitzt wie frisch vom Frisör, sein Bart ist getrimmt. "Bärte müssen gepflegt sein", so sein Motto. Vassilakou unterstützt den Jungpolitiker und ehemaligen Mitarbeiter ihres Büros. Dass sie gegen ihn antritt, ist unwahrscheinlich.
Die Gedanken des Peter Kraus
Doch wofür steht Peter Kraus? Seine Gedanken hat er vor kurzem in einem politischen Grundsatzpapier festgehalten. Der Titel: "I Do Care - Die Politik der Empathie und Hoffnung." Auf 67 Seiten stellt er allgemeine Fragen: "Wissen wir überhaupt, wofür es sich zu kämpfen lohnt?", "Was passiert gerade mit der Welt?" Er baut Zitate von Perikles bis Stephen Hawking ein, kritisiert die Grünen für ihre falschen Fragen und deplatzierten Antworten.
Pathetisch schreibt er über seine Gedanken an einem "grauen Morgen im November", die in einem Café in Lissabon ihren Weg auf Papier fanden. "Politik heißt, Bäume zu pflanzen, in deren Schatten man selbst nie sitzen wird", vermerkt er. Er möchte als Politiker Dinge beim Namen nennen. Er erwähnt die Gehaltsschere zwischen Frau und Mann, Fahrverbote, Artensterben, kleine Klassenzahlen, Burn-out in der Arbeitswelt. Wie Probleme gelöst werden sollen, erklärt er nicht. Nur so viel: Es brauche "radikal-realistische" politische Antworten. "Ich weiß, dass es nicht leicht wird. Aber ich weiß auch, dass wir diesen Kampf gemeinsam gewinnen werden."
Dass Kraus und Ellensohn bei den Wählern nicht sehr bekannt sind, ist laut Meinungsforscher Peter Hajek für die Wien-Wahl nebensächlich. "Die grüne Wählerschaft fokussiert nicht unbedingt auf Spitzenkandidaten." Es gehe mehr darum, wer von den beiden es besser schaffe, die Menschen emotional anzusprechen.
Das beste Ergebnis der Grünen mit 14,6 Prozent im Jahr 2005 liegt weit zurück. Zuletzt reichte es 2015 nur zu 11,8 Prozent. Doch auch davon hat sich die Partei entfernt. Nach den Turbulenzen in den vergangenen Monaten wäre ein zweistelliges Ergebnis bei der kommenden Wien-Wahl schon ein Erfolg. Egal, ob mit David Ellensohn oder Peter Kraus.