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"Vater des grünen Wahlerfolges"

Von Clemens Neuhold

Politik

Martin Radjaby, der Mann hinter dem Öko-Populismus der Grünen, im Porträt.


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Wien. Der 38-jährige Martin Radjaby spricht nicht wie ein grüner Weltenretter, sondern vielmehr wie ein Börsenanalyst, der fünf Aktienkurse gleichzeitig analysiert und dabei so viel Wörter wie möglich zwischen die wenigen Atempausen presst. Und doch seien es die halb im Scherz getätigten Worte "willst du nicht Welt retten?" des Bundesgeschäftsführers Stefan Wallner gewesen, die ihn zu den Grünen brachten. Aufbauend auf soziale Projekte in der Jugend und bei Ö3 wurde aus dem Radio-Programmgestalter der grüne Wahlkampfgestalter.

Der geborene Wiener und Sohn eines persischen Arztes ist seit drei Jahren für die Wahlkämpfe verantwortlich. Am Sonntag haben die Grünen das beste je bei einer Bundeswahl erzielte Ergebnis eingefahren. Nach den parteiinternen Lobeshymnen zu schließen, kann sich Radjaby ein Stück vom Wahlerfolg abschneiden.

"Wenn es einen Vater der letzten erfolgreichen Wahlkämpfe gibt, dann ist er es", sagt der Wirtschaftssprecher der Wiener Grünen, Hans Arsenovic. Peter Pilz: "Er ist einer der Hauptverantwortlichen für den grünen Wahlsieg." Der neue EU-Abgeordnete Michel Reimon sagt: "Er ist ein Marketing-Genie mit Gewissen, er verkauft Politik professionell wie ein Produkt, würde aber kein schlechtes Produkt bewerben."

Sogar das Ja zur Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße schreiben manche ihm zu. Er orchestrierte die PR-Schlussoffensive per Hausbesuch. Davor lag die Zustimmung bei 40, danach bei 51 Prozent. "Das kann ich einmal meinen zwei Töchtern erzählen, dass ich da dabei war", sagt er.

Noch erleichterter als das Ja zur Fußgängerzone kann Radjaby über das gute Abschneiden bei der Europawahl sein, denn ein schlechtes Abschneiden hätte ihn vielleicht den Kopf gekostet. Parteiintern und medial mussten die Grünen viel Kritik für die krummen Gurken, Paradeiser und Eva-Magazine einstecken. Besonders das Meuchelfoto von Ernst Strasser passte so gar nicht in das Bild der "Gutmenschen"-Partei.

"Du bist nicht alle"

"Über die Stilistik kann man debattieren. In Summe war es aber die richtige Kampagne. Die Mischung macht es aus." Sein Credo: "Du bist nicht alle. Wir müssen differenzierte Zielgruppen differenziert ansprechen."

"Das ist der beste Kampagnenmann aller Parteien", lobt PR-Berater und Polit-Aktivist Rudi Fußi die "selektive Zielgruppenstrategie" Radjaby. "Er hat bei den Grünen viel aus dem Consumermarketing hineingebracht, was es vorher nicht gab."

Genau das stößt seinen Kritikern sauer auf. "Das Politmarketing ist bei uns sehr wichtig geworden, das sehe ich durchaus kritisch. Die Grünen haben in den beiden letzten Wahlkämpfen auf eine populistische Linie gesetzt, bei der politische Inhalte weichgespült wurden", sagt die junge Grün-Abgeordnete Sigi Maurer.

Radjaby wehrt sich gegen den Vorwurf der Inhaltsleere. "Bei einem Plakat sind 60 Prozent Branding, 30 Prozent Aufmerksamkeit und 10 Prozent Inhalt. Ein Plakat ist keine Grundsatzdebatte."

Hinter allen Sujets seien konkrete Botschaften gestanden - von der Rettung des Saatgutes bei den Paradeisern oder dem Kampf gegen Korruption bei Strasser. Im viel geschmähten Eva-Magazin, das sich an Erstwähler und Schüler richtete, sei es um NSA, Snowden, Lampedusa bis hin zum Coming-out der lesbischen Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek gegangen. Arsenovic sagt: "Er hat den Gordischen Knoten gelöst, Botschaften auch in verständlicher Sprache zu transportieren."

Ein Anstrich für die Grünen

Zur Handschrift Radjaby gehört das Corporate Design. Egal ob Land, Bund, Internet, Postwurfsendung, Grün-Magenta zieht sich durch. Ein PR-Workaholic, der einer über Jahrzehnte in Realos und Fundis zerstrittenen Partei einen einheitlichen Anstrich gibt und so Wahlen gewinnt?

Fußi, der schon für ihn gearbeitet hat, sieht das genauso: "Es ist eine kampagnentechnische Meisterleistung, mit einer Kandidatin, die niemand kennt, 15 Prozent zu holen." Die Strategie: Am Anfang kam EU-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek auf den provokanten Plakaten nicht vor - dann sekundiert von Parteichefin Eva Glawischnig.

"Ich bin überzeugt, dass wir die Wahl wegen Ulrike Lunacek gewonnen haben. Sie hat in TV-Konfrontationen überzeugt. Das ist auch klar an der hohen Zustimmung durch weibliche Wählerinnen ablesbar", will Maurer auch hier Mythen zerstören.

Pilz widerspricht: "Eine wenig bekannte Spitzenkandidatin kann nicht wahnsinnig viel gewinnen, aber viel verlieren, siehe Angelika Mlinar von den Neos." Was natürlich auch zum grünen Wahlerfolg der Grünen beitrug.