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Vater werden ist doch schwer

Von Markus Kauffmann

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Markus Kauffmann , seit 22 Jahren Wiener in Berlin, macht sich Gedanken über Deutschland.

Sind die deutschen Väter schuld an sinkenden Geburtenraten, wie eine Studie der Robert Bosch-Stiftung vor zwei Jahren nahelegte? Oder haben junge Männer doch "Bock auf Familie"?


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Von einem "Zeugungsstreik" deutscher Männer könne keine Rede sein. Das stellte in dieser Woche das Deutsche Jugendinstitut, München, fest, nachdem fast zweitausend Betroffene über ihren "Weg in die Vaterschaft" befragt worden waren.

Diese Studie hat im herbstlichen Blätterwald gehöriges Rauschen ausgelöst, kommt sie doch zu völlig konträren Ergebnissen als die meisten ihrer Vorgänger. Hält man es mit den Münchner Jugendforschern, dann sagen fast 93 Prozent der Noch-Nicht-Väter zwischen 15 und 42 Jahren, ja, sie würden sich ein Kind wünschen! Am besten wäre es, so meint der Großteil, wenn sie es gleich im Alter von 25 Jahren bekommen könnten. Nach der oben erwähnten Bosch-Studie aus dem Jahr 2006 wollte noch jeder vierte Mann kinderlos bleiben.

Tatsächlich aber lassen sich die Herren mit ihrem ersten Nachwuchs weitaus länger Zeit, nämlich vier Jahre; im Schnitt sind sie dann schon 29 Jahre. Also doch zeugungsmüde? Laut Jugendinstitut sei dies weniger auf "mangelnde Motivation" als vielmehr auf ungünstige Rahmenbedingungen zurückzuführen. Gemeint ist zum Beispiel die Arbeitswelt, die auf den kinderbetreuenden Vater noch nicht eingestellt ist.

Die Männer stehen sich allerdings auch ein bisschen selber im Wege - zu fest ist weiterhin das altgewohnte Klischee vom Vater als Familien-Ernährer und "Herr des Hauses" in ihren Köpfen verankert. Fast 60 Prozent erklären, ein Kind komme keinesfalls ins Haus, solange sie nicht selbst in der Lage sind, eine Familie zu ernähren.

Wie groß der Einfluss des Elternhauses auf die Familienplanung künftiger Väter ist, zeigen folgende Ergebnisse: Sind die Befragten bis zu ihrem 15. Lebensjahr nicht mit beiden leiblichen Eltern aufgewachsen, so wünschen sie sich weniger Kinder. Im Gegenzug wünschen sich junge Männer, die mit beiden Eltern aufgewachsen sind, häufiger eine Familie mit drei und mehr Kindern.

Am erfreulichsten an dieser Studie ist für mich jedoch die qualitative Veränderung des väterlichen Rollenbildes: Neben der Schaffung einer finanziellen Grundlage für die Familie, sehen es nahezu alle jungen Männer genauso als ihre Aufgabe an - und das ist neu - sich "Zeit für das Kind zu nehmen", sich "in der Betreuung zu engagieren", ja sogar die "Berufskarriere für ein Kind zurückzustellen". Zunehmend wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch zum Anliegen der Väter.

Solcherart veränderte Geschlechterrollen sowie höhere Ansprüche an die Kindererziehung rücken die Väter etwas aus dem tradierten "Familienschatten". Zwar fehlt es nach wie vor an institutionellen Arrangements und an attraktiven, neuen, gesellschaftlich getragenen Väterbildern. Doch immerhin 55 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass sie durch die Vaterschaft "Lebensfreude gewinnen" würden.

Dabei ist den Befragten bewusst, dass Kinder auch Opfer verlangen; finanzielle Belastungen (63 Prozent), weniger Zeit für eigene Hobbys, oder, wie es Wilhelm Busch ausdrückte: "... Sondern, wenn die Kosten kommen, / Fühlet er sich angstbeklommen".

Woran es laut Jugendstudie noch fehlt, sind entsprechende "Lernfelder für einen eigenständigen männlichen Umgang mit Kindern", etwa im Rahmen von Sozialpraktika in der Schule oder im Zivildienst. Väter(-)schulen? Kürzlich beklagte der als "Loriot" bekannte Vicco von Bülow in einem Interview, "dass man als Elternteil einfach nicht ausgebildet ist für das schwerste Amt, das man haben kann, nämlich Vater oder Mutter zu sein".