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Ein "Geheimdokument" aus dem Jahr 1962 mit dem Siegel von Papst Johannes XXIII empöre die Vertreter der Missbrauchsopfer, war dieser Tage zu lesen: darin würden Bischöfe wie auch Opfer und Zeugen bei Androhung der Exkommunikation zu einem Eid der Verschwiegenheit - allerdings nur außerhalb des eigenen kirchenrechtlichen Instanzenzugs - verpflichtet.
Dass sich die Opferanwälte über dieses Dokument "Crimen Sollicitationis" "empören", wundert mich nicht - das gehört zu ihrem Job. Und dass es der "Entdecker", der texanische Anwalt Daniel Shea, medial platzierte, ist wohl Teil einer Strategie, Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache zu betreiben: zur Beeinflussung der Richterschaft wie auch zur Akquisition künftiger Klienten hilft es immer, sich in der öffentlichen Meinungsmache als Initiator von Gerechtigkeit zu profilieren. Mit Mitgefühl mit belästigten, mit belasteten Menschen hat das meist nichts zu tun. Mehr mit der weitverbreiteten Ansicht, Rache (im Sinne von Herstellung ausgleichender Gerechtigkeit) wäre der richtige Weg, erlittenes Leid zum Verschwinden zu bringen: "Dafür, dass Du mir was angetan hast, musst Du büßen!" Und je hilfloser man sich gegenüber der verletzenden Autorität gefühlt hat, desto größer sind die Bedürfnisse nach Verminderung dieser Autorität.
Auch in unseren Landen hat traditionell die Medien auf seiner Seite, wer einen Ausritt gegen die Katholische Kirche wagt: sie bzw. manche ihrer Vertreter eignen sich auch nur zu gut als Projektionsfläche für spätpubertäre Proteste gegen allzustrenge Autorität oder auch nur demütigende autoritäre Verhaltensweisen. Schweigegebote gehören dazu. Ich erinnere mich nur zu gut an Lehrkräfte, die mit einem verletzenden "Sei schweig!" jegliches kritische Denken untersagten - das war in den 50er und 60er Jahren üblich.
Heute wird zwar Menschen, die um ihre "Mündigkeit" kämpfen, nicht mehr so deutlich "über den Mund gefahren" - dafür wird einfach Kommunikation verweigert. Selbst Priester, die in der Öffentlichkeit für Dialog eintreten, das "Reden wir miteinander!" propagieren, drücken sich im unkontrollierten Privatbereich vor erbetenen Rückrufen wenn sie - zu Recht! - vermuten, dass sie sich mit Vorwürfen konfrontiert sehen könnten. Dass sie sich damit nahtlos in die Reihe der "Unberührbaren" einschmiegen, die sich im Vollbesitz des Glaubens an ihr Auserwähltsein über jegliche Kritik stellen, lassen sie nicht in ihr Bewusstsein.
Und genau darum geht es: jeder Beruf, jedes Berufssystem hat seinen spezifischen Blickwinkel, seine Spielregeln und seine Dünkel. Die Verwendung der Fachsprache Latein als "Methode", Laien vom Verstehen und damit Kontrollmöglichkeiten auszuschließen, einte jahrhundertelang Ärzteschaft und katholische Priester. Dass Martin Luther auf diese "Geheimnistuerei" verzichtete, war eines seiner "Verbrechen" der "Entheiligung des Heiligen". In meinem Buch "Darüber spricht man nicht - Tabus in der Familie" habe ich aufgezeigt, dass derartige Berührungs- oder Sprechtabus dazu dienen (sollten), das, was einem "heilig" ist, vor Verunreinigung zu schützen. Tatsächlich wird dadurch aber nur die "Reinigung" verhindert: das Aus-drücken dessen, was innerlich verschmutzt hat - egal ob es sich um das seelische wie körperliche - Innere eines Menschen handelt oder eines Systems.
Der Vatikan ist ein Staat mit eigener Gerichtsbarkeit jenseits der weltlichen Gerichte, mit eigenen Regeln der Reinigung und eigenen Glaubenssätzen. Dass diese oft extrem seltsam ausgefallen sind, zeigt sich am Beispiel der "reinigenden" Scheiterhaufen der Inquisition. Historische Vergangenheit - gewiss. Und dennoch nicht so weit entfernt von der eifernden Verfolgung der Menschen, die hoffen, wenn sie zölibatäre Priester werden, ihrer sexuellen Problematik zu entgehen - z. B. ihrer Sinnlichkeit, ihrem Begehren, ihrer Attraktivität für Frauen und/oder Männer. Nur: durch die Wahl eines Berufes, in dem man sich primär "nach oben" (auf den Himmel) ausrichtet, kalmiert man nicht das lebendige Feuer (die Hölle) "unten" - unter der Gürtellinie. Autosuggestive Gebete sind nicht die effizienteste Methode. Es gibt bessere. Z. B. im Buddhismus. Im Tantra. Und in der von mir entwickelten Integrativen Sexualtherapie