Wien ist Stadt mit höchster Dichte an veganen und vegetarischen Restaurants.
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Wien. Es regt sich was in der Genussstadt Wien. Das Pferdeleberkässemmerl auf dem Weg in die Arbeit, ein Paar Frankfurter schoarf als kleiner Snack zwischendurch und nicht zu vergessen das obligatorische Gulasch - mit seinem Fleischkonsum von rund 66 Kilogramm pro Kopf und Jahr, liegt Österreich im internationalen Vergleich weit vorne.
Dennoch: laut aktuellen Zahlen der Statistik Austria, stagniert der Fleischkonsum in Österreich - die Zahl jener die sich für einen tierfreien Lebensstil entscheiden, wächst. Fünf Prozent der Österreicher ernähren sich vegetarisch - knapp 40.000 Menschen leben mittlerweile vegan. Das heißt: kein Fleisch, keine Milchprodukte, keine Kleidung aus Leder, tierversuchsfreie Kosmetik - sogar Honig ist tabu.
Hauptstadt der Veggies
Als "Hauptstadt der Veggies" wird Wien bezeichnet. Denn keine andere Stadt Europas kann sich mit der höchsten Dichte an veganen und vegetarischen Restaurants rühmen und (bald) zwei voll vegane Supermärkte vorweisen.
So steht auch das kommende Wochenende ganz im Zeichen des Wiener Veganismus. Von Freitag bis Sonntag findet beim Wiener Museumsquartier zum 16.Mal die "Veganmania" statt. Ihres Zeichens das größte Fest der veganen und vegetarischen Community. Auf mehr als 30 Info- und Verkaufsständen werden Alternativen zu Fleisch und Milch präsentiert - begleitet von einem bunten Rahmenprogramm an Musik, Akrobatik, Kunst und veganen Verkostungen. Außerdem ist ein rekordverdächtiger Anschnitt der größten Mehlspeise der Welt geplant - dieses Jahr ist es eine Sachertorte. 2011 war die 360 Kilo schwere vegane Schokorolle innerhalb von fünf Stunden verputzt. Da greifen auch immer mehr überzeugte Fleischesser zu.
Für Felix Hnat, Obmann der Veganen Gesellschaft Österreich (VGÖ) und Hauptorganisator der Veganmania, gibt es viele Gründe für das vermehrte Interesse an fleischlichen Alternativen und den konstanten Zuwachs an Mitgliedern. "Sicher haben Lebensmittelskandale ihren Teil zur der Entwicklung beigetragen - viele Menschen sind aber auch einfach konsumkritischer geworden. Sie wollen sich unter den gegebenen Bedingungen, nicht auf Kosten anderer Lebewesen ernähren."
Aus einer klassisch-fleischliebenden Familie stammend, waren es für Hnat die Erfahrungen in der Fleisch- und Milchproduktion, die ihn zu einem überzeugten Veganer werden ließen. Seit 16 Jahren verzichtet Hnat vollständig auf tierische Produkte - seit zehn Jahren leistet er für die VGÖ Aufklärungsarbeit, organisiert Podiumsdiskussionen und vegane Messen und gilt als mediales Sprachrohr der Szene.
Als einer der Hauptangeklagten und wieder frei gesprochenen im Wiener Tierschützerprozess lernte Hnat früh die unangenehmen Seiten des Aktivismus kennen und die enorme Bedeutung von Öffentlichkeit. "Der VGÖ sieht sich primär als Vermittlungsstelle, wir stellen Informationen zur Verfügung, verwalten Gütesiegel und fördern so den veganen Lebensstil. Moralisieren oder konfrontative Aktionen wie sie von Tierrechtsorganisation bekannt sind, stehen für uns nicht zur Debatte."
Veganes Wiener Schnitzel
Einer der zwar dieses Jahr auf der Veganmania ausnahmsweise nicht vertreten sein wird, aber als "Urgestein" der Wiener Vegan-Szene gilt, ist der gebürtige Taiwanese Chen Huang. Als einer der ersten im veganen Business eröffnete er 2003 gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Tante das vegetarisch/vegane Lokal Formosa. Sein veganer Background ist weniger der aktivistische oder unternehmerische, als der spirituelle. "Wir Buddhisten vermeiden es aus Prinzip anderen Lebewesen Leid zuzufügen", erzählt der Familienvater.
Mittlerweile hat er neben seinem Restaurant einen separaten vegetarischen Shop eröffnet. Stadtbekannt ist er für seine vegane Fleischtheke, in der sich von Garnelen aus Sojafaser über Pfeffersteaks und Räucherfleisch auch geschmortes Hammelfleisch und knusprige Ente finden lässt. Alles auf Basis von Soja- und Weizeneiweiß, versteht sich. "Bekehren wollen wir niemanden. Buddhismus ist eine Lebensweise, aber keine Doktrin oder Religion", betont Huang und posiert stolz mit seinen Bestsellern: dem ganzen, tiefgefrorenen Huhn und einem halben Kilo veganen Speck.
Susanna Paller ist schon fast ihr ganzes Leben Veganerin und wird heuer zum ersten Mal mit ihrem eigenen Geschäft bei der Veganmania vertreten sein. Wenige Wochen nach der Eröffnung des ersten voll-veganen Eisgeschäfts Veganista Ice Cream wirkt sie ausgepowert aber glücklich.
12.000 Besucher erwartet
Der große Andrang hat sie selbst überrascht, noch Tage nach der großen Eröffnung stehen die Kunden Schlange. "Wir haben unterschätzt, wie sehr die Leute uns vermisst haben. Als Veganer immer nur Sorbets zum Nachtisch gereicht zu bekommen - das kann’s ja wohl nicht sein", dachte sich die gebürtige Burgenländerin und beschloss mit ihrer Schwester Cecilia Blochberger einen lang ersehnten Traum zu verwirklichen. "Ehrliches", frisches Eis aus Bioanbau und ohne künstliche Zusatzstoffe oder Aromen.
Seit Ende Mai kann man in der Wiener Neustiftgasse aus über 18 veganen Eissorten auf Soja-, Hafer- oder Kokosmilchbasis wählen. Neben den Klassikern Schoko, Vanille und Erdbeere finden sich auch ausgefallenere Sorten wie Orange-Safran, Basilikum oder Kokos-Cookies im puristisch gehaltenen Gassenlokal.
Erfahrung im Vegan-Business haben die beiden Schwestern bereits aus ihrer Zeit bei Lush, dem ersten voll-veganen Kosmetikgeschäft, das Blochberger 2005 nach Österreich brachte. Vorerst heißt es aber rühren, Früchte schnippeln und jede Menge vorbereiten für die Veganmania. Denn bei einem Besucherandrang von mittlerweile 12.000 Personen pro Tag, sollen alle ausreichend versorgt sein.