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Venezuela versinkt in Inflation und Korruption

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare

Solange die Generalität an den Geldquellen sitzt, wird sich daran kaum etwas ändern.


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Ein unbeugsamer "Gesprächspartner" ist Venezuelas legaler Präsident Nicolas Maduro, der sicher im Sattel sitzt, solange er die Armee, die Geheimdienste und jene Schlägerbrigaden, die jeden Widerstand brutal niederknüppeln, bei Laune hält.

Seinem Gegner, dem selbsternannten "Übergangspräsidenten" Juan Guaidó, fehlt die Legitimation durch Wahlen, obschon er Menschenmassen zu Protesten auf die Straße bringt und von dutzenden Regierungen anerkannt wird. Er will amtieren, bis freie Wahlen wieder klare Verhältnisse schaffen. Gleichwohl unterlief Guaidó ein kapitaler Fehler. Er setzte die Lkw-Kolonnen in Marsch in der Annahme, dass sie die Grenze ungehindert überqueren könnten.

Die "Lima- Gruppe" lehntjede Gewaltanwendung ab

Die Sympathie der Bevölkerung kommt eben gegen bewaffnete Truppen nicht auf. Dagegen hilft auch die "Lima-Gruppe" nicht, zu der sich 2017 14 von 25 Staaten Nord- und Südamerikas zusammengeschlossen haben, um mit Venezuela humanitäre Verhältnisse auszuhandeln. Die "Lima- Gruppe" lehnt jede Gewaltanwendung ab - im Gegensatz zu US-Präsident Trump, der kundtun ließ, dass der Fall Venezuela notfalls auch militärisch gelöst werden müsse. Und China sekundierte, wiewohl weit vom Schuss: Würden Venezuela "sogenannte Hilfsgüter gewaltsam aufgezwungen, dann hätte das ernsthafte Konsequenzen".

Das entspricht dem Leitmotiv der Propaganda Maduros: Mit den Hilfskonvois sollen Truppen nach Venezuela zum Sturz der Regierung geschleust werden. Die Venezolaner darben also weiter unter dem "Sozialismus des 21. Jahrhunderts", obwohl dieses Land weltweit über die größten Erdölreserven verfügt. Mit dem Absturz des Ölpreises um 70 Prozent endete das bequeme Leben der venezolanischen Elite. Man kann nicht mehr mit rund 95 Prozent der Erdöleinkünfte den Bedarf an Industriegütern und Lebensmitten decken. Also wurden Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft vernachlässigt. So auch die Petrochemie, die nun dahinsiecht, weshalb Venezuela seinen Bedarf an Treibstoff zu 50 Prozent durch Import decken muss.

Maduro erkauft sich die Loyalität der Armee durch "verdeckte" Korruption. Er steigerte die Zahl der Generäle von 60 auf 4000 und setzte sie an einträgliche Schlüsselposition in der verstaatlichten Wirtschaft, deren Leistung binnen fünf Jahren auf die Hälfte schrumpfte. Offiziere ersetzten Fachleute, die sich ins Ausland absetzten - mit bisher rund drei Millionen Venezolanern. Zudem verschwanden Unsummen Petrodollars auf Konten der "Elite" im Ausland.

Ein Kaffee kostet ein Fünftel des monatlichen Mindestlohns

Und weil die landwirtschaftliche Produktion auf ein Drittel sank, durchleiden die Venezolaner eine Fastenzeit ohne Ende. Dagegen helfen auch nicht die "lokalen Komitees", die Lebensmittel verteilen, aber nur an Parteigänger Maduros. Eine Folge dieses "sozialistischen" Systems ist eine Inflation, die heuer bereits auf 1,3 Millionen Prozent steht. Daher kostet ein Becher Kaffee ein Fünftel des monatlichen Mindestlohns. Eine beklemmende Folge des "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" ist die ausufernde Korruption. Auf der Weltrangliste der Korruption hält Venezuela unter 176 Staaten Rang 166 als lateinamerikanischer Spitzenreiter. Beispielhaft dafür ist das Geschäft mit importiertem Benzin. Davon verschwinden rund 15 Prozent in das Nachbarland Kolumbien, weil das Wachpersonal an den Grenzen auf der Lohnliste der Benzinschmuggler steht und daher "nichts sieht". So ist Benzinschmuggel in Venezuela mittlerweile lukrativer als Drogenhandel. Offen ist, wie lange die Leidenszeit der Venezolaner noch dauert. Die Gesundung wird allerdings auch schmerzhaft sein.

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