Österreich beginnt zu begreifen, dass wir mitten in einer volatilen, unsicheren, komplexen und ambivalenten Umgebung leben.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
2015 geht dem Ende zu - was für ein Jahr der Windungen und Erschütterungen. Die Welt liegt im permanenten Umbruch, Europa steht vor der Aufgabe, zügig in die nächste Entwicklungsetappe zu kommen, und Österreich beginnt zu begreifen, dass wir mitten in einer volatilen, unsicheren, komplexen und ambivalenten Umgebung leben. Wir können nicht mehr das neutrale Kaffeehaus des Kalten Krieges spielen; wir können uns nicht mehr als - dem Weltgeschehen entkoppelte -Insel der Seligen wegdrücken; wir können nicht mehr darauf vertrauen, dass zwei Parteien, die die politischen Geschicke dieses Land über sieben Jahrzehnte geschultert haben, weiterhin die Kraft und Tragfähigkeit dazu haben. Wer ernsthaft auf die kommenden Jahre schaut, der weiß: Das Leben ist im Fluss. Veränderung im großen Stil liegt in der Luft - weltweit. Das Alte schwindet, das Neue beginnt Form anzunehmen. Ein offensichtlicher Trend unserer Zeit ist, dass sich Bipolaritäten auflösen. Die Menschen erkennen, dass das Leben nicht schwarz/weiß ist. Die Bipolaren wie auch die Populisten inszenieren Heilsversprechen mit einfachen, platten Ansagen. Die Verführung, ihnen zuzustimmen, ist groß - von Griechenland über Spanien bis nach Österreich. Doch das echte Leben zeigt sich in abgestuften Farb- und Grautönen. Die stimmigsten Antworten auf die Herausforderungen der Zeit liegen meist zwischen den inszenierten Polen. Natürlich hat zuletzt der Wien-Wahlkampf gezeigt, dass die Polarisierung ein effektives Instrument des Wählerfangs bleibt. Michael Häupl und seine millionenschwere Wahlkampfapparatur haben ebenso hemmungslos zugegriffen wie Heinz-Christian Straches FPÖ. Und es hat noch - oder wieder - einmal funktioniert. Doch die Entwicklung des Gemeinwesens wird unter dieser Polarisierung eher leiden, da stimmige, differenzierte Lösungen ausbleiben. Und so freut es mich, dass die Wählerinnen und Wähler trotz dieser brachialen Polarisierung erstmals seit 20 Jahren eine neue Kraft in den Wiener Gemeinderat geholt haben. Eine differenzierte Kraft der radikalen Mitte. Es stimmt mich zuversichtlich, dass vielerorts die Kräfte der Mitte beachtliche Unterstützung finden. Dies ist in Zeiten des Umbruchs nicht selbstverständlich. In Kanada wurde eine liberale Bewegung zur stärksten Partei gewählt. In Spanien erhielt am vierten Adventsonntag unsere Schwester, die liberale Bürgerpartei Ciuadadanos, bei ihrem ersten Antritt 14 Prozent der Stimmen. Das Zwei-Parteien-System ist Geschichte. Ich habe Neos mitbegründet, um für Österreich eine gestalterische Kraft der radikalen Mitte ins Leben zu bringen. Wenn wir unseren Wohlstand und unsere Lebensqualität halten wollen, dann braucht Österreich mutige Erneuerung. Diesen Anspruch verfolgen wir: für eine echte Bildungswende, für enkelfitte Sozialsysteme sowie für ein unternehmerisches Österreich, das die Kreativität und Schaffenskraft des einzelnen Menschen schätzt und fördert und damit Arbeitsplätze schafft. Jetzt geben wir zu Jahresende ein paar Tage Ruhe, und dann packen wir wieder beherzt an, um entschlossen an der Umsetzung dieser Ziele weiterzuarbeiten.