Kamil-Krater gibt Wissenschaft Rätsel auf. | Der Meteorit schlug als Ganzes ein. | Berlin. Schon ein einziger Krater kann die gut etablierten Theorien von Meteoritenforschern völlig über den Haufen werfen. Bisher jedenfalls war die Zunft dieser Wissenschafter sich weitgehend einig, dass ein Eisen-Meteorit mit weniger als 3000 Tonnen Gewicht bei einem Einschlag auf der Erde in der Atmosphäre in viele kleinere Trümmer zerrissen wird.
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Dazu passt aber der Kamil-Krater im Süden Ägyptens jedoch so gar nicht. Dort hat offensichtlich ein vielleicht neun Tonnen schwerer Brocken aus dem Weltraum einen ziemlich runden Krater mit 45 Metern Durchmesser und 16 Metern Tiefe in den Wüstenboden gesprengt, berichten Luigi Folco von der Universität im italienischen Siena und seine Kollegen in Italien und Ägypten in der Fachzeitschrift "Science".
"Normalerweise würde man ein Streufeld mit vielen kleineren Kratern erwarten, das sich in Form einer Ellipse über etliche Kilometer durch die Wüste zieht", erklärt Meteoriten-Spezialist Jürgen Oberst vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof.
Ein solches entsteht, wenn das kosmische Geschoss mit einer Geschwindigkeit von vielleicht 60.000 Kilometern in der Stunde auf die Atmosphäre trifft und von der Luft gleichzeitig kräftig gebremst und bis zur Rotglut erhitzt wird. Dabei wirken gewaltige Kräfte, die den Meteoriten entlang normalerweise vorhandener kleiner Risse in kleinere Teile zerlegen. Jedes Fragment fliegt auf einer Bahn weiter, die ein wenig von der ursprünglichen Richtung des Meteoriten abweicht. Bis zum Boden verteilen sich die Splitter dann auf eine Ellipse, die weit mehr als zehn Kilometer lang sein kann. Jeder Treffer wirft dann einen Krater aus.
Im Süden Ägyptens aber fanden die Forscher nach einer Suche mit Google Earth nur einen einzigen Krater. Zwar verteilen sich 5178 Bruchstücke des Meteoriten im Krater selbst und in seinem Umfeld. Die aber stammen vom Auftreffen auf den Sandstein der Wüste. Erst im Moment des Aufpralls zerriss es den Himmelskörper in Fragmente, dessen größtes 83 Kilo wog. Den Forschern zufolge muss ein Eisenbrocken mit 12.000 Stundenkilometern in den Boden gedonnert sein. Sollten solche Eisen-Meteorite öfter weitgehend intakt auf die Erdoberfläche treffen, ist das Risiko größerer Schäden höher als bei Meteoriten, die in der Luft in kleinere Splitter zerfallen.
Noch unklar ist, warum es diesen Meteoriten nicht schon in der Luft zerrissen hat, ebenso wie das Alter des Kraters. Die Forscher stellten fest, dass alle Strukturen gut erhalten sind. Zwar gibt es in der Wüste kaum Niederschläge, die andernorts kleinere Krater in ein paar Jahrtausenden einebnen. Aber weil die seltenen Regenfälle bisher kaum Spuren hinterlassen haben, muss der Kamil-Krater relativ jung sein. Es wäre also möglich, dass die Pharaonen Zeitgenossen dieses Treffers waren.