Analyse: Ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie muss gut begründet sein.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der Ministerrat wird sich heute, Dienstag, mit dem Nichtraucherschutz befassen. Zu erwarten ist ein "Bekenntnis" der Regierung für ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie, viel mehr noch nicht. Die Gesetzgebung aus dem Jahr 2009 war der Versuch eines Kompromisses. Man wollte die Arbeitnehmer vor der ständigen Passivrauchexposition schützen, gleichzeitig aber auch die Lebensqualität von Rauchern nicht einschränken. Viele Raucher wollen ja nicht nur rauchen, sie müssen es auch aus Gründen der Sucht. In der Praxis zeigte sich dann jedoch, dass der Kompromiss sein Ziel verfehlt hat. Nach wie vor stehen viele Beschäftigte in der Gastronomie permanent im Rauch.
Ein von allen Beteiligten akzeptierter und praktikabler Kompromiss in dieser emotional und sehr grundsätzlich geführten Debatte scheint aufgrund der diametralen Bedürfnisse vieler Raucher und Nichtraucher kaum möglich. Die Politik wird eine Gruppe enttäuschen müssen, und wie es aussieht, wird dies die Gruppe der Rauchbefürworter in Lokalen sein. Es wird daher wichtig sein, zu erklären, warum die Politik ein generelles Rauchverbot anstrebt.
Volkswirtschaftlicher Schaden
Ein möglicher Argumentationsansatz wäre der volkswirtschaftliche Schaden, den das Rauchen verursacht. Zwar sind derlei Berechnungen nur Annäherungen, die dazu durchgeführten Studien verweisen aber recht einhellig darauf, dass die volkswirtschaftlichen Kosten, vor allem im Gesundheitssystem, die Einnahmen (Tabaksteuer) und Einsparungen (Pensionen) übersteigen.
Wie auch in anderen Bereichen könnte die öffentliche Hand diese Bilanz als Auftrag verstehen, gesellschaftlich wünschenswertes Verhalten zu fördern und nicht wünschenswertes, wenn auch nicht zu verbieten, so doch mit gesetzlichen Eingriffen zu erschweren. Ein Rauchverbot in Lokalen ist da eine Option.
Der volkswirtschaftliche Aspekt ist allerdings aus zwei Gründen problematisch. Erstens stellt sich die Frage nach der Legitimität, das Leben dieser Art zu ökonomisieren, also die Lebensweisen der Menschen vorrangig als Kosten/Nutzen-Faktor für die Volkswirtschaft zu deuten.
Das zweite Problem betrifft die schwierige Grenzziehung, ab wann eine "Steuerung" als Eingriff in die persönliche Freiheit verstanden wird. Es ist umso schwieriger, als diese Grenze von den Menschen sehr unterschiedlich gezogen wird. Es lässt sich jedoch feststellen, dass das schon vor vielen Jahren beschlossene Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und Transportmitteln weit weniger kontrovers diskutiert wurde als dies nun beim Rauchverbot in Lokalen der Fall ist. Laut Umfragen befürwortet zwar die Mehrheit der Österreicher ein solches Verbot, doch es ist nur eine knappe Mehrheit.
Recht auf Unversehrtheit
Wahrscheinlicher ist aber ohnehin, dass die Regierung jenen Ansatz wählt, der auch der derzeitigen Gesetzgebung zugrunde liegt, nämlich des Arbeitnehmerschutzes. Zu erwähnen ist hier auch der Artikel 3 der EU-Grundrechtecharta, das Recht auf Unversehrtheit. Es ist wissenschaftlich unstrittig, dass eine ständige Exposition gegenüber Passivrauch die Wahrscheinlichkeit diverser Erkrankungen erhöht. Schwierig nachzuweisen ist jedoch, ab welcher Dosis der im Zigarettendunst hängenden Schadstoffe eine gesundheitliche Gefährdung vorliegt. Auf Lokalgäste, die nur ab und zu im Zigarettenrauch sitzen, dürfte dies eher nicht zutreffen, auch wenn das Mitrauchen von vielen Nichtrauchern als unangenehm empfunden wird. Für sie brachte das jetzige Gesetz aber jedenfalls eine deutliche Verbesserung.
Für die in der Gastronomie Beschäftigten, die täglich stundenlang dem Passivrauch ausgesetzt sind, funktioniert der 2009 ausgehandelte Kompromiss nur teilweise. Zwar sieht dieser vor, dass Angestellte nicht im Raucherbereich arbeiten dürfen, was in einigen Betrieben auch gut funktioniert, doch generell hat sich der Kompromiss als wenig tauglich erwiesen. In kleinen Lokalen darf weiterhin geraucht werden, weshalb sich Betreiber anderer Lokale im Wettbewerb benachteiligt fühlen. Außerdem hat sich gezeigt, dass Beschäftigte in Lokalen, in denen es getrennte Bereiche gibt, in vielen Fällen in der Raucherzone arbeiten. Das mag zwar ein Verstoß gegen das Gesetz sein, doch wenn dessen Einhaltung zu einem existenzbedrohenden Umsatzrückgang führt, nehmen die Wirte diesen Verstoß eben in Kauf.
Da der Kompromiss nicht das bezweckte Ergebnis gebracht hat und zudem in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit die freie Wahl des Arbeitsplatzes mehr Theorie als Realität ist, wäre ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie auch mit dem Arbeitnehmerschutz zu argumentieren. Dieser Denkansatz würde logischerweise aber auch bedeuten, dass in jenen Lokalen, in denen es keine Arbeitnehmer gibt, das Rauchen weiterhin erlaubt sein müsste.