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Verbot der Sterbehilfe soll in die Verfassung

Von Walter Hämmerle

Sterbehilfe

Entscheidung gegen europäischen Trend - Caritas erfreut, Philosoph kritisiert.


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Wien. Es ist eines der letzten gesellschaftspolitischen Tabuthemen unserer Zeit: der selbstbestimmte Umgang mit dem Tod und insbesondere Sterbehilfe. In Europa weist der Trend dabei klar in eine Richtung. In der Schweiz, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg ist Sterbehilfe, wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß, gesetzlich zulässig. In etlichen weiteren Ländern, darunter Deutschland und Frankreich sowie den katholisch geprägten Staaten Italien und Spanien wurde und wird das Thema kontrovers diskutiert.

Österreich will nun ein politisches Zeichen gegen diesen Trend zur Liberalisierung setzen. Wie die "Wiener Zeitung" erfuhr, haben sich die Verhandler von SPÖ und ÖVP in der Gruppe "Direkte Demokratie und Staatsreform" geeinigt, das Verbot von Sterbehilfe in der Verfassung zu verankern. Gleichzeitig soll ein Anspruch auf palliativmedizinischer Begleitung Sterbender gesetzlich verankert werden.

Aktive Sterbehilfe (gezielte Herbeiführung des Todes auf Wunsch) wie auch der assistierte Suizid (Verordnung von Medikamenten, die todkranke Menschen selbst einnehmen, um damit ihren Tod herbeizuführen) sind strafrechtlich untersagt. Indirekte (Inkaufnahme des vorzeitigen Todes durch medizinische Behandlung, die primär der Schmerzbehandlung dient) sowie passive Sterbehilfe (Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen bei einer tödlich verlaufenden Krankheit) ist in Österreich dagegen erlaubt. Mit der nun paktierten verfassungsrechtlichen Verankerung eines Verbots von Sterbehilfe - zwischen aktiv und passiv soll nicht unterschieden werden - wollen SPÖ und ÖVP ein Signal setzen: "Es geht um das Menschenrecht, in Würde zu sterben", formuliert es ein Befasster.

Das Thema wird auch in Österreich kontrovers diskutiert. 2010 sprachen sich laut einer Karmasin-Umfrage 46 Prozent der Befragten dafür aus, Sterbehilfe bei tödlichen Krankheiten im Endstadium straffrei zu stellen, 26 Prozent lehnten jegliche Freigabe ab. Laut einer Umfrage aus dem selben Jahr im Auftrag der Medizin Universität Graz befürworteten 62 Prozent, dass ein Arzt einen Patienten auf dessen Wunsch hin tötet - ein Anstieg um 13 Prozent seit dem Jahr 2000.

Über die nun erfolgte Einigung erfreut zeigt sich Michael Landau, der neue Präsident der Caritas Österreich. "Die "Menschen sollten an der Hand eines Menschen sterben und nicht durch die Hand eines Menschen", so Landau gegenüber der "Wiener Zeitung". Dies sei auch bei einer einstimmigen Entschließung des Nationalrats zur Palliativ- und Hospiz-Versorgung deutlich geworden. Landau hofft, dass von der neuen Regelung ein Signal ausgeht, die entsprechende medizinische Infrastruktur rasch auszubauen. Vor allem gelte es nun, die Erfahrungen aus der palliativmedizinischen Betreuung Sterbender in den Alltag der Senioren- und Pflegeheime zu integrieren. "Das darf nicht am Geld scheitern", bringt Landau seine politischen Erwartungen auf den Punkt.

Deutlich kritischer fällt die Reaktion von Peter Kampits aus. Der Philosophieprofessor und Leiter des Zentrums für Ethik in der Medizin der Donau-Universität Krems hält es für absurd, ein Verbot der Sterbehilfe in die Verfassung zu schreiben, weil dies den zahlreichen Gratwanderungen in den Einzelfällen nicht gerecht werden könne. "Meiner Ansicht nach hat der Staat am Sterbebett seiner Bürger nichts verloren." Kampits begrüßt zwar den angekündigten Ausbau der palliativmedizinischen Betreuung, sieht darin jedoch keinen alternativen Weg zur Sterbehilfe - "autonome Bürger müssten die Chance haben, sich für beides zu entscheiden". Als Konsequenz befürchtet er nun die Zunahme des Sterbetourismus in die Schweiz, Holland oder Belgien.

Eine "Konterkarierung des europäischen Trends" sieht der Politologe Anton Pelinka - er sei stets skeptisch, "wenn Österreich gegen den Trend zu schwimmen versuche". Ein schnelles Urteil in der Sache selbst will Pelinka allerdings nicht abgeben, handle es sich bei der Materie doch um eine hochsensible und wichtige Frage, die eingehend zu diskutieren sei.

Vorarlberg als Nachbarland zur Schweiz ist von dieser Frage seit Jahren besonders betroffen. Als Reaktion darauf hat das Land bereits ein Verbot der Sterbehilfe in der Landesverfassung verankert - gemeinsam mit einem ausdrücklichen Bekenntnis zur Palliativmedizin. Nur wenn man den Menschen die Angst vor einem qualvollen und einsamen Tod nehmen könne, sei die Debatte gegen eine Liberalisierung der Sterbehilfe zu gewinnen, heißt es hier. Als Konsequenz versucht man, Betroffenen eine flächendeckende mobile und stationäre palliativmedizinische Betreuung anzubieten.

Palliativpflege gewährleistet Patienten im fortgeschrittenen Stadium einer unheilbaren Erkrankung durch fachlich fundierte, umfassende, individuelle und kreative Pflege eine möglichst hohe Lebensqualität und Selbstbestimmung.

Unter Einbeziehung und Begleitung der Angehörigen soll ein Umfeld geschaffen werden, in dem die Bewältigung krankheitsbedingter Krisen und schwieriger Situationen ermöglicht und die Zeit des Abschiednehmens über den Tod hinaus als wertvoll erlebt wird.

Palliativmedizin ist die medizinische Komponente. Dabei geht es vor allem um Schmerztherapien, Behandlung von Übelkeit, Abgeschlagenheit. In zahlreichen Krankenhäusern und Pflegeheimen gibt es Palliativstationen zudem werden mobile Hospizeinrichtungen ausgebaut.