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Verbot folgt auf Verbot

Von Matthias Nagl

Politik

Die SPÖ lässt sich sowohl in Linz als auch in Salzburg von der ÖVP zu neuen Bettelverboten inspirieren.


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Linz/Salzburg. Die Reaktionszeit der Politik ist deutlich kürzer geworden. Vor knapp zwei Jahren noch kampagnisierte die "Kronen Zeitung" in Oberösterreich noch eine ganze Woche lang gegen Bettler, um Landeshauptmann Josef Pühringer zu einem runden Tisch über das Thema zu drängen. Vergangene Woche brauchte es nur noch eine einzige in der "Kronen Zeitung" erhobene Forderung nach schärferen Gesetzen, damit der Linzer Bürgermeister Klaus Luger sofort einen runden Tisch einberief.

Die Forderung kam von Vizebürgermeister Bernhard Baier, der für dieses Thema eigentlich gar nicht ressortzuständig ist. Das ändert nichts daran, dass eine weitere Gesetzesverschärfung schon vor dem runden Tisch am Mittwoch praktisch beschlossene Sache ist. Im Sommer 2014 wurde in Oberösterreich neben dem aggressiven und organisierten Betteln zusätzlich noch das gewerbsmäßige Betteln unter Strafe gestellt, diesmal ist ein sektorales Bettelverbot angedacht.

Betraf die Gesetzesänderung noch die Landespolitik, muss ein sektorales Bettelverbot die Stadt Linz verordnen. Eine breite Mehrheit dafür ist aber sicher. Baier gilt als Zukunftshoffnung der ÖVP, die bei der Gemeinderatswahl im vergangenen Herbst arg gebeutelt wurde. Und auch Bürgermeister Luger sprach sich bereits für das Verbot aus. Nur seine SPÖ verlor bei der Gemeinderatswahl noch stärker als die ÖVP.

Gemeinsam mit der FPÖ, der Wahlsiegerin, reicht es sogar für eine Dreiviertel-Mehrheit, obwohl die gar nicht notwendig wäre. Die FPÖ-Spitze zeigt sich vom ÖVP-Vorstoß jedenfalls erfreut. "Unsere Überzeugungsarbeit zahlt sich mit etwas Verspätung aus", sagt Sicherheitsstadtrat Detlef Wimmer. Luger erklärt, dass das nun angedachte Bettelverbot eine Reaktion auf eine veränderte Bettlerszene sei. "Man wird auch von mir Aussagen von vor einem Jahr finden, dass ein sektorales Bettelverbot nicht nötig ist. Die Situation hat sich seit wenigen Wochen aber geändert. Es sind merklich jüngere Bettler, die sehr fordernd und aggressiv auftreten", sagt Luger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Ein Bettelverbotohne Wirkung

Auch der stellvertretende Landespolizeidirektor Oberösterreichs, Erwin Fuchs, berichtet, dass es seit einigen Wochen "größere Probleme mit aggressiven Bettlern aus Rumänien" gebe. In Linz wird vor allem in der zentralen Einkaufsmeile Landstraße gebettelt. Dass es sich dabei um organisierte Bettelei handelt, steht für Luger außer Frage. Hier habe möglicherweise eine Veränderung stattgefunden. "Es scheint sich nun um eine andere Organisation zu handeln", sagt Luger.

Organisiertes und aggressives Betteln ist zwar schon länger verboten, laut dem Linzer Bürgermeister ist dieses Verbot aber zahnlos. "Es handelt sich dabei um Verwaltungsvergehen. Dafür gibt es eine Strafe, die zugestellt werden muss. Nachdem diese Menschen keine Wohnadresse in Österreich haben, ist das aber ein Ding der Unmöglichkeit. Erst wenn eine dreimalige Strafe an die gleiche Person zugestellt wurde, sind andere Sanktionen möglich", erklärt Luger. Deshalb soll es nun eine weiträumige, zusammenhängende Zone mit sektoralem Bettelverbot geben, die neben der Landstraße auch die Altstadt und wohl auch den Linzer Hauptbahnhof umfassen wird.

Salzburg will Zahl der Bettler immer weiter reduzieren

Das, was in Linz nun geplant ist, ist in Salzburg bereits seit knapp einem Jahr Realität. Dort trat Anfang Juni des Vorjahres ein sektorales Bettelverbot in Kraft. In Salzburg gilt das Verbot allerdings nicht in einer zusammenhängenden Zone, sondern an besonders neuralgischen Punkten in der bei Touristen beliebten Altstadt, zum Beispiel in der Getreidegasse oder dem Makartsteg über die Salzach.

Das Verbot funktioniert insofern, als es von den Bettlern eingehalten wird und die Zahl der Bettler in der Innenstadt reduziert hat. Das hat zuletzt auch das Amt für öffentliche Ordnung der Stadt Salzburg erhoben. Die Zahl der Bettler ist von rund 180 auf knapp 100 zurückgegangen. Dennoch soll das Verbot nun ausgeweitet werden. Treibende Kraft ist auch hier der ÖVP-Vizebürgermeister. Für Harald Preuner ist der erreichte Rückgang an Bettlern nicht ausreichend.

"Es gilt, das Ganze noch weiter zurückzufahren", sagt er. Preuner stört vor allem eine Begleiterscheinung der Bettler aus Osteuropa. Es gibt zwar seit Einführung des Bettelverbots eine Notschlafstelle für Bettler, die bietet aber nicht ausreichend Platz. Viele Bettler campieren im Stadtgebiet, etwa an S-Bahnstationen oder unter Brückentragwerken.

Bürgermeister Heinz Schaden berichtet, dass Notschlafeinrichtungen von den Bettlern nur zögerlich angenommen würden und diese Einrichtungen, in denen Männer und Frauen getrennt übernachten können, die Lage nicht wirklich verändern würden. "Die Lebensgewohnheiten dieser Menschen sind mächtiger als unser Angebot", sagt Schaden zur "Wiener Zeitung".

Ob es durch eine Ausweitung des Bettelverbots nicht bloß zu einer weiteren Verlagerung innerhalb des Stadtgebiets kommt, will Schaden erst gar nicht beurteilen. Er sieht eine Ausweitung als weiteren Schritt, die Bettelei in den Griff zu bekommen. Wobei das genaue Gebiet der Ausweitung in Salzburg noch Gegenstand von Verhandlungen ist.

Dass wie in Salzburg auch in Linz ein sektorales Bettelverbot zu einer Verlagerung führen könnte, glaubt der dortige Bürgermeister Luger nicht: "Wir haben nicht viele urbane Subzentren, sondern nur etwa drei. Dort Betteleinnahmen zu erzielen, wird nicht sehr attraktiv sein", glaubt Luger. "Sollten wir allerdings Verdrängungseffekte haben, werden wir uns auch dort Lösungen überlegen."

Die Nächtigungssituation der Bettler ist auch in Linz prekär. In den vergangenen Wochen kam es zu insgesamt drei Brandanschlägen auf Zeltlager von Bettlern. Seit dem letzten Brandanschlag vor drei Wochen kam die Polizei zu keinen brauchbaren Ermittlungsergebnissen, obwohl alle drei Taten am helllichten Tag passierten, als sich die Bettler in der Innenstadt befanden. Von Auseinandersetzungen im Bettlermilieu bis zu einer politisch motivierten Tat sei nach wie vor alles denkbar, sagt ein Sprecher der Linzer Polizei.

Bürgermeister Luger betont, nicht generell gegen Bettler vorgehen zu wollen. "Es geht mir nicht darum, Menschen aus dem Stadtbild verdrängen zu wollen, sondern darum, organisierte Bettelei zu verhindern", erklärt er. Ähnlich argumentiert auch sein Amtskollege Schaden in Salzburg. Für ihn ist das organisierte Betteln ein "Bruch der Menschenrechte", osteuropäische Staaten wie Rumänien würden ihre Armut exportieren, sagt Sozialdemokrat Schaden.

ÖVP treibt die Themen,SPÖ zieht mit

Auffällig ist freilich in beiden, SPÖ-geführten Städten, dass die Bürgermeister in Sachen Bettler eine Politik verfolgen, die vor allem der FPÖ zur Zufriedenheit gereicht. Treibende Kraft hinter dieser Politik ist in beiden Städten wiederum die ÖVP. In Linz hat Luger mit der FPÖ ein Arbeitsübereinkommen geschlossen. Nur mit FPÖ oder ÖVP hat die SPÖ eine Mehrheit. Eine Zusammenarbeit mit der ÖVP wäre eine Koalition der Verlierer, so holte sich Luger die Wahlsiegerin FPÖ in die Regierung.

In Salzburg gibt es kein Arbeitsübereinkommen zweier Parteien. Es gäbe nach wie vor eine rot-grüne Mehrheit im Gemeinderat. Lange Zeit suchte sich Schaden seine Mehrheiten auch bevorzugt bei der grünen Bürgerliste, zuletzt wandte er sich aber immer stärker an die ÖVP. Galt das zunächst nur für den Verkehrsbereich, betrifft es nun auch vermehrt andere Themen. Das freut vor allem die FPÖ, auch wenn sie in Sachen Bettelverbot noch nicht gänzlich zufrieden ist. "Mehr als dieser Kompromiss lässt sich derzeit wohl politisch nicht durchsetzen", sagt der Chef der Stadt-FPÖ Andreas Reindl.