Stadträtin Sandra Frauenberger will über die Bezirke nicht "drüberfahren".
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Wien. Die Prostitutions-Debatte in Wien ist trotz der Gesetzesnovelle 2011, bei der der Straßenstrich in Wohngegenden verboten wurde, nicht gelöst. Die Bezirke weigern sich, Erlaubniszonen einzuführen, die Stadtregierung will den Straßenstrich aber nicht vollends verbieten. Nachdem der Hotspot der Sexarbeiterinnen, die Perspektivstraße im Prater, noch im September zum Wohngebiet erklärt wird, kommen die Frauen immer mehr in Bedrängnis - die "Wiener Zeitung" hat berichtet.
"Wiener Zeitung": Vor der Gesetzesnovelle 2011, die die Prostitution in Wohngebieten verboten hat, gab es einige offizielle Straßenstriche in Wien. Wo stehen die Sexarbeiterinnen heute?Sandra Frauenberger: Das Gesetz hat den Straßenstrich erfolgreich vom Wohngebiet getrennt und eine klare gesetzliche Regelung statt Schutzzonenchaos gebracht. Überall, wo der Flächenwidmungsplan es zulässt, ist Straßenprostitution erlaubt, wohin sich die Szene entwickelt, ist eine andere Debatte.
Ist der Prater schon Wohngebiet?
Nein, erst wenn die Umwidmung nach einem Gemeinderatsbeschluss durchgeführt wird.
Der Prater war immer der Hotspot für Prostitution. Wird sich das nun von heute auf morgen ändern?
Die Polizei und die NGOs vor Ort informieren die Frauen schon jetzt, dass sich die rechtliche Lage im Prater ändern wird, damit sie rechtzeitig Bescheid wissen. Der Prater ist ein Stadtentwicklungsgebiet, mit der Wirtschaftsuniversität und den Studierendenheimen wird sich auch die Umgebung dort verändern.
Was wurde aus dem Straßenstrich Auhof im 14. Bezirk?
Den Berichten zufolge stehen hin und wieder wenige Frauen am Auhof, es ist aber auch ein schwieriges Gebiet, weil die Straße so nah ist.
Ist die Brunnerstraße in Liesing, die erst im Oktober 2012 von der Szene entdeckt wurde, der letzte offizielle Strich Wiens?
Nein, es gibt einige Gebiete, in denen Straßenprostitution nach dem Flächenwidmungsplan erlaubt ist. Die Brunner Straße war aber zum Beispiel auch schon vor dem Gesetz ein erlaubtes Gebiet.
Die Bezirke wehren sich gegen gesetzlich mögliche Erlaubniszonen. Was könnte hier die Lösung sein?
Wir sind in regem Austausch mit den Bezirken und versuchen, unterstützend zu wirken. Natürlich wären Erlaubniszonen wünschenswert, die rot-grüne Regierung hat aber von Anfang an versprochen, nicht über die Bezirke drüberzufahren, und darauf können sie sich auch verlassen. Dennoch ist es schade, dass damals der Bezirksvorsteher aus dem 2. Bezirk trotz gegenteiliger Ankündigungen allein gelassen wurde.
Wenn man Prostituierte aus dem Straßenbild einer Stadt entfernt, ist das ein Fortschritt oder ein Rückschritt?
Ziel war es, einerseits die Anrainer zu entlasten, andererseits aber die Sicherheit für Frauen zu erhöhen. Mit den klaren Regelungen für Prostitutionslokale können wir erreichen, dass Frauen indoor sicher arbeiten. Auch die Strafen für die Frauen sind zurückgegangen, weil es jetzt klare gesetzliche Regelungen gibt.
Orientiert sich Wien bei der Bewältigung dieses Themas an anderen Städten? Gibt es Vorbilder für Sie?
Wir beschäftigen uns inhaltlich intensiv mit internationalen Vorbildern, unter anderem haben wir auch eine Studie zu dem Thema in Auftrag gegeben. Das ideale Modell ist uns aber bisher noch nicht untergekommen.
Wie viele Bordelle sind derzeit genehmigt? Wurden welche geschlossen? Wie viele gibt es noch illegal?
Rund 300 Lokale sind in Wien derzeit bewilligt oder in der Antragsphase. Von Schließungen berichtet uns die Polizei kaum. Durch die Transparenz des Gesetzes wird die Illegalität zurückgedrängt. Vor dem Gesetz hatte die Polizei gar keine Übersicht über die Prostitutionslokale. Jetzt gibt es klare Regelungen, die vor allem die Sicherheit der Frauen und den gesetzlichen Rahmen wie den Jugendschutz im Fokus haben.
Die Frage bleibt: wohin mit Wiens Prostituierten? Haben Sie weitere gesetzliche Änderungen geplant?
Ein totales Verbot der Straßenprostitution wird es mit einer rotgrünen Stadtregierung nicht geben, daher ist auch keine gesetzliche Änderung geplant. Solange es die Nachfrage gibt, wird es Prostitution und den Straßenstrich geben. Meine Aufgabe als Stadträtin sehe ich darin, die Rahmenbedingungen so gut wie möglich für alle Beteiligten in meinem Ermessensspielraum zu gestalten. Da gilt es, sowohl die Interessen der Anrainer als auch die Interessen der Schwächsten in diesem System - nämlich der Frauen - möglichst unter einen Hut zu bekommen. Das ist uns mit der Gesetzesnovelle im Jahr 2011 gut gelungen, langfristig brauchen wir aber bundesweit eine einheitliche Regelung, vor allem nach dem Fall der Sittenwidrigkeit.
Wissen: Sittenwidrigkeit
Ein Vertrag ist nur gültig, wenn er den Sitten entspricht. Anfang 2012 hat der OGH beschlossen, dass die Sittenwidrigkeit im Fall der Prostitution nicht mehr gilt. Dem Urteil vorausgegangen war eine Klage einer Prostituierten auf ihr Entgelt. SPÖ und Grünen in Wien fordern eine bundesweite einheitliche gesetzliche Verankerung des Urteils.