Was darf der Arbeitgeber über seine Angestellten verraten? | Bei Formulierungen im Dienstzeugnis ist Vorsicht geboten. | Wien. Manche Telefonate können einen Arbeitgeber teuer zu stehen kommen: Wenn er negative Auskünfte über seine Mitarbeiter erteilt, könnten ihn diese auf Schadenersatz klagen.
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"Der Arbeitgeber darf nämlich nichts weitergeben, was den Arbeitnehmer in seinem weiteren Fortkommen behindert", weiß Arbeitsrechtsexperte Kurt Retzer von der Arbeiterkammer (AK) Wien. Diese Fürsorgepflicht gilt auch gegenüber ehemaligen Mitarbeitern.
"Das zeigt, dass dem beruflichen Fortkommen von Dienstnehmern ein höherer Wert beigemessen wird als dem Informationsinteresse eines neuen Arbeitgebers", erklärt Rechtsanwältin Alexandra Knell im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat jedoch in einem aktuellen Urteil eine Einschränkung vorgenommen. In dem konkreten Fall ging es um eine Frau, die von ihrem letzten Arbeitgeber gekündigt worden war und in einem Bewerbungsgespräch gefragt wurde, ob sie die Dame mit den mangelnden Englischkenntnissen sei, von der der letzte Arbeitgeber erzählt hätte.
Laut OGH ist die Auskunft über die mangelnden Englischkenntnisse der ehemaligen Mitarbeiterin unbedenklich, da es sich um eine "sachliche Auskunft hinsichtlich konkreter für den neuen Arbeitgeber erforderlichen Fähigkeiten" handelt. Solche Auskünfte seien "gerade bei wirtschaftlich im Rahmen eines Konzerns verbundenen Arbeitgebern innerhalb eines gewissen Rahmens" zulässig.
Ähnlich sieht es Arbeitsrechtsexperte Georg Grießer. "Wenn es ein berechtigtes Interesse des Anfragenden gibt, muss der Arbeitgeber die Wahrheit über den Mitarbeiter sagen, auch wenn diese negativ ist", sagt der Rechtsanwalt zur "Wiener Zeitung". So müsste der ehemalige Chef auf Anfrage eines neuen Arbeitgebers laut Grießer sehr wohl über ein mögliches Vergehen des Mitarbeiters wie etwa Diebstahl berichten. Er könnte sich aber auch nicht dazu äußern. Brenzlig wird es nur, wenn der Arbeitgeber wissentlich eine falsche Auskunft gibt, meint Grießer. "Dann haftet er gegenüber dem neuen Arbeitgeber und muss möglicherweise Schadenersatz zahlen."
AK-Experte Retzer warnt davor, das OGH-Urteil als Freibrief für die Arbeitgeber zu verstehen. "Diese Judikatur öffnet nicht die Auskunftserlaubnis", sagt Retzer. Vielmehr müssten die Interessen im Einzelfall abgewogen werden.
Ein fragwürdiges Dienstzeugnis
Auch im Dienstzeugnis darf der Arbeitgeber keine ungünstigen Eintragungen und Anmerkungen machen, durch die dem Angestellten die Erlangung einer neuen Stelle erschwert wird. Unzulässig sind deshalb Bemerkungen über Krankenstände, Behinderungen und eben auch schlechte beziehungsweise geringe Leistungen. Dabei ist die Judikatur sehr streng. So werden zum Beispiel Formulierungen wie "wurde bei uns eingesetzt" oft als Hinweis gedeutet, dass der Dienstnehmer nicht zu selbständigem Handeln in der Lage war, schreibt Andreas Gerhartl vom Arbeitsmarktservice Niederösterreich in der "Arbeits- und Sozialrechtskartei" des Linde Verlags.
Auch bei der Bewertung der sozialen Fähigkeiten der Mitarbeiter muss der Arbeitgeber mit der Formulierung aufpassen. Laut Gerhartl wird etwa die Bemerkung, der Dienstnehmer habe durch seine Geselligkeit zur Verbesserung des Betriebsklimas beigetragen, vielfach als Hinweis auf Alkoholismus verstanden.
Ähnlich schlecht kommt ein Dienstnehmer davon, der laut Dienstzeugnis "Einfühlungsvermögen für die Belange der Belegschaft zeigte". Dieser Formulierung würde nämlich bisweilen die Bedeutung beigemessen, dass der Dienstnehmer auf ständiger Suche nach Intimkontakten sei.
* Ausführliche Beiträge von
Andreas Gerhartl zu diesem
Thema erscheinen auch in der "Arbeits- und Sozialrechtskartei" sowie in der "PV-Info" des Linde Verlags. *