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Auch in Österreich verkehren homosexuelle Asylwerber im Geheimen.
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Wien. Sie werden öffentlich geoutet, beschimpft und verprügelt. Sie werden aus ihren Wohnungen geworfen, von ihren Familien verstoßen und gar ermordet. Es ist eine öffentliche Hetzjagd, der Homosexuelle in Uganda ausgesetzt sind. Seit Ende Februar hat sich ihre rechtliche Lage noch verschärft. Jetzt werden Schwule und Lesben in Uganda mit lebenslänglicher Haft bestraft. Wer Homosexuelle kennt oder beobachtet, soll sie bei der Polizei anzeigen. Ursprünglich war die Todesstrafe geplant. Nach massivem Protest von westlichen Staaten rückte Uganda aber davon ab.
Nun klopfen die verfolgten Männer und Frauen an Europas Türen. Denn für Homosexuelle in vielen afrikanischen Staaten ist die Flucht oft die einzige Möglichkeit, frei leben zu können. In 37 von 54 afrikanischen Staaten werden Homosexuelle strafrechtlich verfolgt. Im Sudan, in Mauretanien sowie in Teilen Nigerias und Somalias droht ihnen die Todesstrafe. Wer aufgrund seiner sexuellen Orientierung strafrechtlich verfolgt wird, kann in Österreich Asyl beantragen. In den vergangenen 20 Jahren nahm die Akzeptanz dieses Asylgrunds europaweit stetig zu. Der Europäische Gerichtshof bekräftigte diese Tendenz vergangenen November mit einem Urteil. Doch mit der Flucht nach Europa haben die Betroffenen ihre Strapazen noch lange nicht hinter sich.
Denn wer spricht schon gern mit fremden Beamten über seine Sexualität? Noch dazu, wenn man gewöhnt ist, dafür um sein Leben fürchten zu müssen. "Nur die wenigsten Flüchtlinge trauen sich, ihre sexuelle Ausrichtung von Anfang an als Asylgrund anzuführen", sagt Ewa Dziedzic. Sie begründete die Plattform "MiGaY", die sich für die Integration homosexueller Migranten in Österreich einsetzt. "Wenn ihnen im Herkunftsland die Todesstrafe droht, haben sie auch wenig Vertrauen in ausländische Behörden. Oder sie fürchten, dass Aufzeichnungen zum Herkunftsland durchdringen könnten."
Wie beweist man seine Gefühle?
Auch wenn sich die Flüchtlinge dazu durchringen, im Asylverfahren zu ihrer Sexualität zu stehen, heißt das noch nicht, dass sie bleiben dürfen. Ob ein homo-, bi-, trans- oder intersexueller (Lesbian, Gay, Bi, Transgender - LGBT) Flüchtling Asyl bekommt, wird im Einzelverfahren entschieden. Dort spielt nicht nur eine Rolle, welche rechtlichen Sanktionen ihm im Herkunftsland drohen, sondern es wird auch die Glaubwürdigkeit der Asylsucher überprüft. Laut Genfer Flüchtlingskonvention gilt die Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe als Asylgrund. Für einen schwulen Asylwerber bedeutet das, er muss vor Gericht beweisen, Teil der LGBT-Community zu sein. Aber wie beweist man seine Gefühle?
Statistiken dazu, wie viele Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in Österreich Asyl beantragen, gibt es nicht. Fluchtgründe werden statistisch nicht erfasst, heißt es vom Innenministerium. Der Verein ORQOA (Oriental Queer Organisation Austria) betreute seit 2010 etwa 40 LGBT-Personen mit Migrationshintergrund. Dabei kümmert sich Gorji Marzban um die Koordination der Rechtsberatung und der psychosozialen Unterstützung. Auch er kennt die Schwierigkeiten, mit denen asylsuchende Homo-, Bi- und Transsexuelle im Laufe des Asylverfahrens zu kämpfen haben: "Statt geschulten Übersetzern werden oft Sprachkundige eingesetzt, die in Bezug auf Homosexuelle befangen sind und das Verfahren beeinflussen können."
Manchmal seien die Beteiligten über LGBT-Themen auch schlichtweg zu schlecht informiert. Das Anti-Homosexuellen-Gesetz in Uganda verurteilt Gorji Marzban, sieht es jedoch auch als Eingeständnis, dass es überhaupt Homosexuelle in Uganda gibt. "Bisher wurde in vielen afrikanischen Ländern behauptet, Homosexualität existiere gar nicht." Schwul oder lesbisch zu sein sei so verpönt, dass es in manchen afrikanischen Sprachen gar kein eigenes Wort dafür gäbe.
In Uganda heizen Medien die homophobe Stimmung zusätzlich an. Die ugandische Boulevardzeitung "Red Pepper" veröffentlichte nach der Gesetzesänderung eine Liste, auf der sie 200 angeblich Homosexuelle öffentlich outete. Bereits 2010 erschien in einer Zeitung eine ähnliche Liste. Darauf waren Fotos und Adressen ugandischer Homosexueller zu finden. Mit der Aufforderung, sie zu erhängen.
Der ugandische Präsident Yoweri Museveni warnt den Westen sich einzumischen, doch international hagelt es Proteste. Die Weltbank hatte in Reaktion auf das Gesetz einen 90-Millionen-Dollar-Kredit für ein Gesundheitsprogramm auf Eis gelegt. Auch die Niederlande, Dänemark, Norwegen und Schweden reagierten prompt mit dem Einfrieren von Finanzhilfen. Das österreichische Außenministerium verurteilt die gesetzliche Diskriminierung von Homosexuellen in Uganda und will die Entwicklungshilfe an das Land überdenken. Für Russland hingegen gab es keine Androhung von Konsequenzen, als dort vergangenen Juni darüber diskutiert wurde, Homosexualität unter Strafe zu stellen. "Auch Russland ist ganz klar zu kritisieren", sagt Martin Weiss, der Sprecher des österreichischen Außenministeriums. "Doch die Frage, ob man die Entwicklungshilfe überdenkt, stellt sich hier gar nicht." Im Gegensatz zu Russland empfange Uganda Hilfsgelder und sei "ein weltweites Negativbeispiel für besonders drakonische Strafen für Homosexuelle", erklärt Weiss.
Wenig Akzeptanz in der eigenen Community
Während den Betroffenen im Herkunftsland Haftstrafen für ihre sexuelle Ausrichtung drohen, sind sie auch in Europa mit sozialer Ausgrenzung konfrontiert - und dass auf mehreren Ebenen. Weder bei der afrikanischen Diaspora noch bei der LGBT-Community in Österreich sind sie unbedingt gerne gesehen. "Mehrfachdiskriminierung", nennt Ewa Dziedzic diesen Umstand.
Innerhalb der afrikanischen Communitys in Österreich herrscht wenig Akzeptanz gegenüber Homo-, Bi- oder Transsexualität. Schon die Unterbringung in Asylheimen ist für LGBT-Flüchtlinge oftmals problematisch. Und auch nach positiven Asylbeschlüssen können LGBT-Flüchtlinge ihre Sexualität oft nur im Geheimen leben.
"Wenn sie einer Community ihres Heimatlandes angehören, beginnen sie oft ein Doppelleben zu führen, aus Angst, dass Angehörige etwas erfahren könnten und sie bedroht werden", sagt Ewa Dziedzic. "Viele trauen sich auch nicht LGBT-Lokale zu betreten, weil sie fürchten, erkannt zu werden."
Der Generalverdacht, ein Stricher zu sein
Bei der LGBT-Community wiederum sei Rassismus "ein Riesenthema". Eindeutig als Migranten identifizierbare Männer würden in Schwulenbars oft nicht eingelassen, weil sie unter dem Generalverdacht stünden, Stricher zu sein. "Man möchte meinen, wenn man selbst einer Minderheit angehört, sollte die Sensibilität gegenüber anderen Minderheiten höher sein", sagt Dziedzic. Aber das stimme leider nur bedingt.
Trotz der Probleme, mit denen LGBT-Asylsuchende in Österreich zu kämpfen haben, ist für sie die Flucht hierher oft der einzige Ausweg um einer Hetzjagd wie in Uganda zu entkommen. Das österreichische Außenministerium kündigte an zu überprüfen, ob bei den Hilfszahlungen nach Uganda Anpassungen nötig sind. Konkrete Konsequenzen folgten jedoch bisher nicht. Noch fließt ein Teil des österreichischen Hilfsbudgets in den Ausbau jenes Justizapparats, der Homosexuelle in Uganda strafrechtlich verfolgt.
Facebook-Seite von MiGAYOriental Queer Organisation Austria (ORQOA)