ÖVP-Spitze geht auf Distanz. | Wiener Obmann aus der Volkspartei ausgeschlossen. | Wien. Das Verbotsgesetz müsse abgeschafft, die Einwanderung beendet werden. Mit diesen Forderungen hat, kurz nach der Debatte um FPÖ-Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz, am Mittwoch der Wiener Akademikerbund für Aufregung - und den ÖVP-Ausschluss seines Vorsitzenden - gesorgt.
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Der Reihe nach: In einem Brief an mehrere Regierungsmitglieder soll der Wiener Akademikerbund, eine ÖVP-Vorfeldorganisation, laut "Österreich" unter anderem "eine generelle Beendigung der Einwanderung" und die "ersatzlose Aufhebung" des Verbotsgesetzes gefordert haben.
Dies bestätigte der Wiener Obmann des Akademikerbundes, Josef M. Müller, gegenüber der "Wiener Zeitung". Man habe vor einigen Monaten ein "Positionspapier" an Ministerien und Parteien geschickt. Den Ruf nach der Aufhebung des Verbotsgesetzes verteidigt er: Damit würde "die freie Meinungsäußerung verboten - das ist unzulässig und erinnert an die Zeit des Dritten Reichs". Die Folgen, die aus der "freien Meinungsäußerung" entstehen könnten, "wird man wohl bewerkstelligen können".
Obmann hat Angst vor Parallelgesellschaften
Auch den Wunsch nach einem Einwanderungsstopp bestätigt Müller. Man werde dies nur in einer zweiten Auflage des "Positionspapiers" leicht abändern, da "die Wirtschaft" erklärt habe, sie brauche Zuwanderer. Der Obmann betont freilich, dass diese Forderung nicht auf Ausländerfeindlichkeit basiere: "Ich bin persönlich ein Ausländerfreund." Aber der Akademikerbund habe Angst davor, dass sich "fremdstämmige Leute zusammenschließen" und Parallelgesellschaften bilden.
Positionen von Wiener Vorstand abgesegnet?
Auf die Frage, ob das denn nicht durch eine bessere Integration verhindert werden könne, meint Müller, es sei eine "schöne Illusion, dass sich diese Leute wie Inländer verhalten".
Dabei dürfte es sich nicht ausschließlich um Müllers persönliche Meinung handeln - das "Positionspapier" wurde laut dem Obmann vom 20-köpfigen Vorstand des Wiener Akademikerbundes beschlossen.
In der ÖVP war die Aufregung nach Bekanntwerden der Forderungen groß: In der Volkspartei "gibt es keinen Platz für derartiges Gedankengut", erklärten Obmann Josef Pröll und Klubchef Karlheinz Kopf, die sich "unmissverständlich" von den Aussagen distanzierten. Auch hieß es, man prüfe alle Möglichkeiten, "um in dieser Angelegenheit für eine restlose und kategorische Bereinigung zu sorgen".
Die Wiener ÖVP-Chefin Christine Marek, die mitten im Vorwahlkampf steckt, ging einen Schritt weiter: Sie will dem Wiener Akademikerbund den Status als Vorfeldorganisation aberkennen. In einem entsprechenden Antrag an die Funktionäre heißt es, die Anerkennung des Wiener Akademikerbundes solle mit sofortiger Wirkung "bis auf weiteres" sistiert werden. "Ich will als Wiener ÖVP mit diesem Akademikerbund nichts mehr zu tun haben", erklärte Marek. Außerdem schloss sie Müller wegen parteischädigenden Verhaltens mit sofortiger Wirkung aus der Volkspartei aus.
Khol: "Rechtsextreme Äußerungen" nicht neu
Seniorenbund-Obmann Andreas Khol warf Müller vor, schon durch "andere rechtsextreme Äußerungen", besonders zur EU, aufgefallen zu sein. Diese hätten Khol auch dazu bewogen, vor Jahren aus dem Akademikerbund auszutreten. 2006 wurde Müller in einer FPÖ-Aussendung dafür gelobt, dass er eine Rückbesinnung auf die Nationalstaaten gefordert habe.
Der Bundesobmann des Akademikerbundes, Ex-Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler, distanzierte sich von den Forderungen der Wiener Organisation. Diese sei aber ein eigenständiger Verein, für einen Ausschluss sei es noch zu früh. Er will zunächst abklären, ob die Forderungen von der ganzen Landesgruppe kämen. Am Freitag findet eine Delegiertenkonferenz statt - dabei soll laut Fiedler über einen Ausschluss der Wiener Organisation diskutiert werden.
Massive Kritik hagelte es aus den anderen Parteien. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas ortete "dringenden Aufklärungsbedarf". Die Chefin der Wiener Grünen, Maria Vassilakou, forderte konsequentes Vorgehen gegen "die rechtsextremen Strömungen im Akademikerbund".