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Verbrannte Blumenerde

Von Christina Böck und Petra Tempfer

Klimawandel

Höhere Temperaturen, wie wir sie immer öfter erleben, machen auch dem Garten zu schaffen. Es gibt aber genug grüne Überlebenskünstler, die ihn klimawandelfit machen.


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Wenn man das Glück hat, einen Garten sein Eigen zu nennen, dann braucht es nur einen heißen Tag, und man merkt es: Der beste Helfer gegen die Klimaerwärmung im ganz persönlichen Mikrokosmos ist ein Baum. "Bäume sind natürliche Klimaanlagen - sie spenden nicht nur Schatten, sondern verdunsten auch Wasser, das sie aus der Erde holen", sagt Katja Batakovic. Nichts anderes machen übrigens teure Luftkühlgeräte. Nur sehr viel weniger effektiv, dafür erzeugen sie mit ihren Filtern noch Müll.

Wenn man also einen Garten neu anlegt und dabei den Klimawandel mitdenken will, sollte man jedenfalls Bäume setzen. Das ist für den Menschen gut - und für die Umwelt: Win-win. Aber ist jeder Baum gleich gut im klimagerechten Garten? Gibt es Bäume, die man besser nicht mehr pflanzt, weil sie mit trockeneren Bedingungen nicht so gut klarkommen werden? Katja Batakovic ist Bereichsleiterin der Garten Tulln für klimawandelfitte Gärten und hält nicht viel davon, bestimmte Pflanzen abzuschreiben. Selbst für die Esche, die ein veritables Sterben in unseren Breiten durchmachen muss, hat sie Hoffnung: "Ich würde sie derzeit mit Vorsicht genießen. Aber es gibt schon vielversprechende Zuchtprogramme, die resistente Eschen hervorbringen."

Die Esche als Opfer der Globalisierung

Die Esche ist freilich weniger ein Opfer des Klimawandels denn der Globalisierung, der Pilz, der reihenweise Eschen killt, wurde mit (billigen) Pflanzen aus Asien eingeschleppt. Aber auch durch Luftströmungen, die der Klimawandel verändert, kommen Pilze zu uns, die vorher nicht da waren. Als Schutz vor Krankheitserregern und Schädlingen empfiehlt Batakovic, nicht nur eine Sorte zu pflanzen. "Kastanien etwa sind eher vor der Miniermotte gefeit, wenn sie nicht nur von anderen Kastanien umgeben sind."

Unterschiedliche Bäume haben unterschiedliche Standortbedingungen. Es macht nicht nur einen Unterschied, ob der Boden sehr kalkhaltig ist oder sehr lehmig, sondern auch, ob seine Wurzeln nach 50 Metern auf eine Tiefgarage treffen. Der Baumnavigator www.willbaumhaben.at hilft bei der passenden Auswahl. Grenzt ein Baum etwa an eine Straße, hat er es schon mit ziemlichen Extrembedingungen zu tun. Batakovic empfiehlt da Säulenbäume, Hainbuchen oder Gleditschien. Letztere sind zwar keine einheimische Sorte, aber darauf komme es auch weniger an als darauf, ob ein Baum ökologisch wertvoll ist.

Dieser Wert ergibt sich daraus, wie viele Gartenbewohner von dem Baum profitieren, sei es als Nahrung oder Lebensraum (wenn sich Äste etwa so verzweigen, dass Vögel Nester hineinbauen können). Der Ginkgo etwa sei ökologisch eher wertlos. Er bildet keine Blüten, die wertvoll für Insekten sind, er bildet keine Früchte, von denen Vögel etwas haben, noch dazu wächst er sehr langsam. "Aber der Ginkgo hat den Vorteil, dass er alles aushält. Also deshalb: Lieber ein Ginkgo als gar kein Baum." Wer wenig Raum für Wurzeln hat, ist mit einem Feldahorn gut beraten oder einer Felsenbirne.

Nicht jeder Garten ist groß genug für einen Baum oder gar mehrere. Der klimawandelfitte Garten ist aber auch mit Hecken, Sträuchern und Stauden gut versorgt. Das Wichtigste, so Batakovic, sei, dass so wenig Boden wie möglich versiegelt ist. Damit Regenwasser in die Erde sickern könne und nicht verloren gehe. Bewachsen soll der Boden auch sein, damit ihn Starkregen nicht zerstört.

"Ja, klar, der Rasen ist ein Säufer"

Am liebsten also so viel Grün, wie nur geht. Mehr Gras, weniger Asphalt. Aber braucht so ein Rasen nicht wieder sehr viel Wasser? "Ja, klar, der Rasen ist ein Säufer." Die meisten Menschen meinen es aber auch besonders gut mit ihm. "Es ist besser, ihn nicht jeden Tag ein bisschen, sondern alle fünf Tage richtig stark zu wässern." Das kann auch für andere Pflanzen gelten, etwa im Gemüsegarten beziehungsweise Hochbeet. "Ich habe von einer Umfrage gelesen, in der herausgekommen ist, dass die Tätigkeit, die die Menschen im Garten am liebsten machen, Gießen ist", erzählt Batakovic. Beim Gemüse steckt sie den Zeigefinger bis zum Anschlag in die Erde, und wenn es dann an der Fingerspitze nicht mehr feucht ist, wird wieder fest gegossen. Für den Rasen gilt die Faustregel: Ein Marmeladenglas ins Grün gestellt, während der Rasensprenger läuft - ist das Glas zwei Zentimeter voll mit Wasser, hat auch der Rasen genug gehabt.

Noch wassersparender ist freilich, wenn man das ordentliche englische Grün hinter sich lässt und sich für eine Blumen- oder Kräuterwiese entscheidet. Die haben es nämlich lieber trockener. Wiesenblumen können wahre Selbstversorgerkünstler sein, wie zum Beispiel der Klee, der zu Unrecht oft als Unkraut angesehen wird, sagt Batakovic: "Seine Wurzeln gehen bis 35 Zentimeter in die Erde hinunter, von da saugt er Wasser rauf." Als Unkraut wird übrigens per definitionem alles bezeichnet, was an einem bestimmten Ort wächst, wo es nicht wachsen soll - ganz unabhängig von der Pflanze selbst. Oder anders gesagt: Eine Orchidee, die in einem Gemüsebeet aufgeht, ist auch Unkraut.

Will man seinen Garten klimawandelfit machen, muss man aber nicht seinen ganzen Rasen "umwidmen", man kann auch Inseln oder Säume etwa vor Hecken stehen lassen. Da muss man aber darauf achten, dass diese Abschnitte sparsamer mit Wasser versorgt werden als die kurzgeschnittenen. Der Vorteil: Man muss diese Wiesen nur zwei bis höchstens drei Mal im Jahr mähen. Der Nachteil: Nach dem Mähen schauen sie nicht besonders hübsch aus.

Der Biologe Timo Kopf empfiehlt zudem, immer einen Teil des Gartens ganz sich selbst zu überlassen und ihn weder zu mähen noch auf irgendeine andere Art zu pflegen. Denn: "Je weniger Nährstoffe eine Wiese bekommt, desto artenreicher ist sie, weil die Fettwiesenpflanzen wie der Löwenzahn nicht alles andere verdrängen."

Das Recht der Grünflächen, auch einmal braun zu werden

Der deutsche Biologe Ulf Soltau sagt dazu: "Auch Grünflächen haben das Recht, mal braun zu werden." Soltau hat sich mit seiner Satire über weitgehend von Grünzeug befreite Schottergärten ("Gärten des Grauens") eine große Fanschar erscherzt. In seinem eigenen Berliner Kleingarten wird auch Wasser gespart: "Dieses dauerhafte Gießen, ich weiß gar nicht, wie die Leute da drauf kommen! Das kriegen Pflanzen ganz wunderbar alleine hin, man muss nicht immer gießen. Ich gieße prinzipiell nie, außer den Gemüsegarten. Und die letzten zwei Jahre hatten wir ja wirklich Dürre, das hat aber alles wunderbar überlebt. Wenn man die Pflanzen nicht so verhätschelt, dann bilden die auch Wurzeln, die tief genug sind, dass sie Trockenphasen überstehen."

Ganz generell sollte man auf Pflanzen mit tiefen Pfahlwurzeln und nicht Flach- oder Herzwurzeln setzen. Es gibt aber natürlich Pflanzen, die besonders gut ohne Bewässerung auskommen: "Es gibt ja schon ein breites Sortiment an Prärie- und Steppenpflanzen, die muss man am Anfang angießen, aber wenn die mal etabliert sind, brauchen sie nichts. Euphorbien, mediterrane Kräuter gehen gut, Lavendel, Thymian, Geranien haben auch ein tiefes Wurzelwerk. Johanniskraut hat ein Wurzelwerk von drei Metern, das vertrocknet nicht, und man hat noch eine medizinische Anwendung im Garten. Sedumarten gehen gut als Bodendecker, ich habe hier noch Steppenkerze, Lungenkraut, Flockenblume."

Die Fetthenne, eine Sedumart, kann auch Katja Batakovic empfehlen: "Da gibt es viele Sorten, manche werden 30 bis 40 Zentimeter hoch, blühen rot oder lila." Neben den ohnehin allerorts beliebter werdenden Ziergräsern hat sie auch noch einen Tipp, der vielleicht überrascht: "Zierdisteln, etwa Karden, die sind sehr beliebt bei Schmetterlingen und auch beim - deswegen heißt er ja so - Distelfink." Im Gemüsebeet sind zum Beispiel Kohlgewächse sehr trockenresistent.

Nicht nur mit der Bepflanzung kann man Wasser sparen, wichtig sei es auch, zu mulchen. "Es ist so, wie wenn man dem Boden eine Jacke anzieht: Er wird von unten vor Austrocknung geschützt und von oben vor extremen Regenfällen - durch den Klimawandel haben wir ja häufiger extreme Regenereignisse." Apropos Regen: Regenwasser ist eine kostbare Flüssigkeit, die man sich nur allzu oft durch die Lappen gehen lässt. Eine Regentonne schafft da Abhilfe, auch Ableitsysteme oder auch unterirdische Zisternen. Letztere sind zwar nicht günstig, aber über die Jahrzehnte würden sie sich lohnen. "Alles ist besser, als wenn das Regenwasser einfach in den Kanal läuft", sagt Batakovic. Im Herbst und Winter gesammeltes Wasser ist wertvoll für die immer häufigere Frühjahrstrockenheit in unseren Breiten.

Artenvielfalt als ästhetische Herausforderung

Grundsätzlich geht Klimaschutz Hand in Hand mit Artenschutz - und dabei zählt die Artenvielfalt. Das sei für manche eine ästhetische Herausforderung, weil die jahrzehntelange Uniformität von Gärten in den Köpfen der Menschen stark verankert ist. Monokulturen führen aber dazu, dass Tierarten verschwinden, dass auch Bäume verschwinden, und das hat deutliche Folgen für das Mikroklima. Das ist aber genau das Klima, das um uns herum herrscht und das man beeinflussen kann.

Im Garten sollte es eine Varietät von Lebensräumen geben: feuchte, trockene, blühende, grüne. Besser sei es also, eben nicht nur eine Heckensorte zu pflanzen, sondern zum Beispiel eine Eibe mit Blühhecken zu kombinieren. Diese Hecke dann mit ihrem eigenen Abschnitt zu düngen - also alles, was rieselt, liegen lassen und Schnittgut häckseln und als Flächenkompostierung unter die Hecke legen -, ist auch schon ein Beitrag zum Klimaschutz: "Allein schon, weil ich nicht mit dem Auto wohin fahre, um Kompost zu kaufen."

Das Konsumverhalten spielt ohnehin auch für den Gärtner eine wichtige Rolle: Auf jeden Fall sollte man auf Erde mit Torf verzichten: "Torf ist eine CO2-Schleuder ohne Ende", so Batakovic. Man kann stattdessen auf Holzfasern oder Sand setzen, das ist auch alles gut regional zu haben. Übrigens müssen torffreie Substrate auch nicht so oft gegossen werden.

Natürliche Schädlingsbekämpfung ist dann natürlich das Tüpfelchen auf dem I, es bringt nicht viel, einen klimawandelfitten Garten zu haben und dann das Glyphosat rumzusprühen, als wären Bienen und Co. unsterblich. Batakovic empfiehlt biologische Mittel und Nützlinge und hat auch da einen Tipp aus der Praxis: "Jeder Garten sollte einen Hollerbusch haben. Der ist so etwas wie eine Zeigerpflanze. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist der voller Blattläuse, und dann kommen schon ihre Gegner, die Marienkäfer, die Ohrwürmer, die Florfliege, ganz automatisch. Und die wandern dann hinüber zum Gemüsebeet, wenn sie dort gebraucht werden." Biologe Kopf wehrt sich sogar gegen den Begriff der Schädlinge - die es in seinen Augen im Garten gar nicht gibt. "Auch Blattläuse haben eine Funktion. Sie dienen als Nahrung für andere Insekten und sind damit ein Teil des großen Ganzen", sagt er.

Aber hat der Klimawandel nicht zumindest auch einen Vorteil gebracht - Pflanzen, die man früher jedenfalls drinnen überwintern musste (Feige, Kiwi, Kaki), können jetzt getrost draußen bleiben? "Ja", sagt Batakovic, "aber das ist auch gefährlich. Ein strenger Winter kann die Feige immer noch umhauen."