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Verbrecher gegen die Menschlichkeit

Von WZ Online

Politik

Pierre Bemba wurde für die Gräueltaten seiner Miliz verurteilt.


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Für die Opfer oder ihre Angehörigen ist es eine späte Genugtuung: Jean-Pierre Bemba darf offiziell als Verbrecher gegen die Menschlichkeit bezeichnet werden. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat den ehemaligen Vizepräsidenten der Demokratischen Republik Kongo, Jean-Pierre Bemba, nach mehr als fünf Jahre nach Prozessbeginn der Kriegsverbrechen schuldig gesprochen. Erstmals wurde damit auch sexuelle Gewalt in einer Auseinandersetzung geahndet.

Mit Morden und Folter durch die ihm unterstehende Miliz MLC in der Zentralafrikanischen Republik habe Bemba außerdem Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, befand das in Den Haag ansässige Gericht am Montag. Das Strafmaß soll später bekannt gegeben werden. Darüber hinaus wurde er wegen der Bestechung von Zeugen schuldig gesprochen.

Richterin Sylvia Steiner sagte in Den Haag, Bemba habe "während der gesamten Einsatzdauer das militärische Kommando und die faktische Kontrolle über seine Truppen in Zentralafrika" gehabt. Die Taten seien vorsätzlich begangen worden, wobei "die Zivilbevölkerung das Haupt- und nicht das Nebenziel der Angriffe gewesen sei".

Die Anklage hatte dem 53-jährigen Bemba in ihrem Plädoyer Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt, begangen von seiner Miliz in den Jahren 2002 und 2003. Soldaten der von Bemba befehligten Bewegung für die Befreiung Kongos (MLC) haben damals in der benachbarten Zentralafrikanischen Republik zahlreiche Männer, Frauen und Kinder gefoltert und getötet. Etwa 400 Menschen sollen vergewaltigt worden sein.

Etwa 1500 MLC-Milizionäre hatten sich im Oktober 2002 in die Zentralafrikanische Republik begeben, um dem damaligen Präsidenten Ange-Felix Patassé dabei zu helfen, einen von General François Bozizé geführten Staatsstreich niederzuschlagen. Bozizé stürzte Patasse im März 2003 schließlich. Zehn Jahre später wurde er selbst aus dem Amt  geputscht.

Bembas Anwälte gaben im Prozess an, die Privatmiliz ihres Mandanten habe die Taten in der Demokratischen Republik Kongo unter zentralafrikanischem Befehl begangen. Sie forderten einen Freispruch.  Bemba drohen 30 Jahre oder sogar lebenslange Haft.

Die IStGH-Chefanklägerin Fatou Bensouda begrüßte das Urteil als "historisch". "Die Opfer haben sehr lange darauf gewartet, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt". Das Urteil sei auch wichtig, weil Machthaber nun nicht mehr annehmen dürften, "für Verbrechen im Feld nicht verantwortlich zu sein". Der frühere Chefankläger Luis Moreno-Ocampo nannte die Taten von Bembas Miliz nach Interviews mit den Vergewaltigungs-Opfern unvorstellbar brutal

In Den Haag wird damit gerechnet, dass Bemba in Berufung geht.

Es ist das erste Mal, dass der IStGH einen Oberbefehlshaber für Verbrechen verantwortlich macht, die er nicht direkt angeordnet hat. Zudem konzentrierte sich das Gericht auch erstmals darauf, Vergewaltigungen und andere sexuelle Gewalt als Mittel der Kriegsführung zu ahnden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erklärte, von dem Urteil gehe die "klare Botschaft" aus, dass "Straflosigkeit für sexuelle Gewalt als Mittel der Kriegsführung" nicht toleriert werde.

Ähnlich äußerte sich Human Rights Watch (HRW). Darüber hinaus mache die Entscheidung zivilen und militärischen Machthabern deutlich, dass sie "Angriffe ihrer Soldaten auf Zivilisten verhindern und beenden" müssten, erklärte die Organisation.

Bemba-Anhänger in Kinshasa zeigten sich bestürzt und "traurig" über den Schuldspruch. Einige äußerten Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Haager Gerichtshofs. Dieser gehe vor allem gegen Afrikaner vor, "besonders gegen Kongolesen", sagte der 32-jährige Dady Lubela.