Debatte um Verteilung von Asylwerbern in der EU verschärft sich.
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Brüssel/Antalya. Frankreichs Ruf wurde prompt erhört. Dem Wunsch von Innenminister Bernard Cazeneuve nach einer EU-Krisensitzung kamen die Luxemburger, die derzeit den EU-Vorsitz innehaben, nach und setzten für Freitag ein Sondertreffen der Justiz- und Innenminister an. Als Reaktion auf die Terroranschläge in Paris sollen die Politiker beraten, wie bereits debattierte Sicherheitsmaßnahmen schneller umzusetzen sind.
Denn schon vor Monaten haben die Minister beschlossen, unter anderem die Kooperation zwischen den nationalen Behörden zu verbessern, den Datenaustausch zu forcieren oder den Grenzschutz zu verstärken. Auch die Terrorfinanzierung sollte bekämpft werden. Darauf wies EU-Ratspräsident Donald Tusk bei einer Pressekonferenz in Antalya hin, wo sich derzeit die Vertreter der G20-Staaten versammelt haben. "Terroristische Netzwerke können nicht planen und operieren, wenn sie das Geld nicht haben, das durch die Finanzsysteme zahlreicher Länder fließt", stellte Tusk fest. Daher müsste es volle Kooperation bei der Weitergabe von Informationen über verdächtige Transaktionen geben.
Allerdings werden die Pariser Attentate wohl ebenfalls Auswirkungen auf die Debatten um die Verteilung der Flüchtlinge in der EU und den Schutz der Grenzen haben. Davor, dass das Schengen-Abkommen, das Reisen ohne Passkontrollen innerhalb weiter Teile Europas ermöglicht, durch den Bau neuer Zäune in immer mehr Mitgliedstaaten gefährdet sei, warnt die EU-Kommission schon seit einiger Zeit. Zwar war es eine übliche Reaktion, dass Frankreich nach den Terrorattacken seine Grenzen schließen ließ, doch könnten generell Forderungen nach einer Abschottung der EU wieder lauter werden. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat schon für eine stärkere Kontrolle der europäischen, aber auch der nationalen Grenzen plädiert.
Zwist um Umsiedlungspläne
Parallel dazu könnte sich die Diskussion um die Aufnahme und Versorgung von Asylwerbern verschärfen. Es gibt nämlich Hinweise darauf, dass zumindest einer der mutmaßlichen Täter als Flüchtling getarnt über Griechenland in die EU eingereist war. Und schon zuvor hat es aus mehreren Mitgliedstaaten Mahnungen gegeben, dass sich unter die Schutzsuchenden Terroristen mischen könnten. Daher wurde in der Slowakei oder in Ungarn vor allem der Sicherheitsaspekt in den Vordergrund gerückt: Politiker beeilten sich, ihren Bürgern zu versichern, dass das Land gut geschützt sei.
Das wurde auch als Grund angeführt, skeptisch gegenüber der Verteilung von bis zu 160.000 Asylwerbern in der EU zu sein, auf die sich die Innenminister der Union geeinigt haben. Die neue polnische Regierung, die Anfang der Woche vereidigt werden soll, hat bereits Einwände gegen die Umsiedlungspläne geäußert. Und der slowakische Premier Robert Fico, der ein Quotensystem zur Aufteilung der Schutzsuchenden ebenfalls ablehnt, sprach kurz nach den Anschlägen erneut von dem Sicherheitsrisiko, das er in den Migrationsströmen sieht. Er brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass "jetzt einige Leute ihre Augen öffnen".
Solchen Überlegungen setzte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Klarstellung entgegen. "Wir sollten die verschiedenen Gruppen, die nach Europa gelangen, nicht miteinander verwechseln", sagte er beim G20-Treffen in der Türkei. Die Terroristen von Paris seien Verbrecher und keine Flüchtlinge oder Asylwerber, die "gute Gründe haben, an unsere Tür zu klopfen". Juncker betonte, dass "diejenigen, die diese Angriffe organisieren und diejenigen, die sie ausführen, genau die sind, vor denen die Flüchtlinge fliehen".
Eine Notwendigkeit, die Pläne zur Verteilung der Asylwerber zu ändern, ortet der Kommissionspräsident nicht. Die Politiker, die sich das wünschen, sollten sich nicht von ihren ersten emotionalen Reaktionen leiten lassen.