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Verbrenner-Aus in der EU beginnt mit Fehlzündung

Von Andreas Lieb

Wirtschaft

Das um seine Auto-Industrie besorgte Deutschland bringt die finale Abstimmung vorerst zu Fall.


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Nach jahrelangen Verhandlungen waren alle Beschlüsse gefallen: Die EU hatte sich durch alle Instanzen darauf geeinigt, dass ab 2035 nur noch emissionsfreie Neufahrzeuge zugelassen werden sollen. Das lief auf den endgültigen Siegeszug der E-Autos hinaus und erregte immer wieder Kritik. Vor allem Vertreter der europäischen Volksparteien wollten auch die sogenannten E-Fuels in den Vorschlag hineinreklamieren - künstlich hergestellte Treibstoffe, die allerdings bisher in der Produktion sehr energieaufwendig und eher eine Alternative für Schiffs- und Flugverkehr sind.

Selbst dort erscheint es fraglich, ob die nötigen Mengen jemals sinnvoll produziert werden können. Vor allem in Deutschland wuchs in den letzten Wochen der Widerstand, die Entscheidung würde der deutschen Autoindustrie bzw. der Zulieferwirtschaft enormen Schaden zufügen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) drohte mit einer Blockade der für kommenden Dienstag vorgesehenen finalen Abstimmungsrunde, sollte für die E-Fuels keine Lösung gefunden werden.

Wie geht es mitE-Fuels weiter?

Wissing will einen von der EU-Kommission an sich zugesagten Vorschlag einflechten, aus dem hervorgeht, wie die E-Fuels nach 2035 in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden können. Allerdings erscheint es aus heutiger Sicht mehr als unwahrscheinlich, dass innerhalb der nächsten zwölf Jahre ausreichende Mengen des synthetischen Kraftstoffs hergestellt werden können und welcher Energieaufwand dafür nötig wäre.

Ein Kompromiss könnte in die Richtung gehen, dass für den riesigen verbleibenden Bestand an bis 2035 produzierten Verbrennerautos eine Beimischquote vereinbart wird. In der gestrigen Sitzung der EU-Botschafter in Brüssel blieb Deutschland bei der ablehnenden Haltung - und brachte damit das ganze Konstrukt vorerst einmal zum Einsturz, da zuvor auch schon Länder wie Italien, Polen und Bulgarien Bedenken geäußert hatten. Damit war aber die qualifizierte Mehrheit, auf die man sich üblicherweise bei vorangegangenen Einigungen verlassen kann, nicht mehr haltbar.

Die schwedische Ratspräsidentschaft entschloss sich daher, den Punkt vorerst von der Tagesordnung zu nehmen. Notwendig für die Annahme des Gesetzes ist die Zustimmung von 15 von 27 Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen müssen. Normalerweise ist das nach dem Ende der komplexen Verhandlungen aber nur noch eine Formalität. Aus dem Lager der Rechten und Konservativen kam sofort Beifall. Der freiheitliche Europaparlamentarier Roman Haider sah schon bisher im Verbot von Verbrennungsmotoren einen "Schuss ins eigene Knie" und setzte nach: "Ich hoffe, dass die Nachdenkpause genutzt wird, um noch einmal über dieses völlig sinnlose Verbot nachzudenken."

ÖVP-Europaabgeordnete Barbara Thaler sieht in der Verschiebung ein "erstes Aufatmen für echte Technologieoffenheit am Industriestandort EU. Wir haben jetzt die Chance, eine historische Fehlentscheidung doch noch abzuwenden", so die Politikerin. Es gebe von der EU-Kommission keine detaillierten Analysen über die Engpässe bei kritischen Rohstoffen für den geplanten und rasanten Ausbau der E-Mobilität in den Mitgliedstaaten, man dürfe sich auch nicht "sehenden Auges in neue Abhängigkeiten von China stürzen, ohne uns bei der Umstellung auf grünen Verkehr und grüne Industrie auf mehrere Beine zu stellen".

Bei den Grünen ist man wenig überraschend ganz anderer Meinung. EU-Abgeordneter Thomas Waitz nannte das beschlossene Verbot "ein zentrales Puzzlestück für den Grünen Deal der EU und den Kampf gegen die Klimakrise". Der Boykott nach Abschluss der Verhandlungen sei ein demokratischer Affront: "Jegliche legislative Arbeit zum Grünen Deal und im Kampf gegen die Klimakrise" werde von liberalen und konservativen Lagern "verwässert oder verweigert".

Grüne: "Absurdes Schauspiel"

Terry Reintke, Ko-Vorsitzende der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, sieht vor allem die deutsche Innenpolitik als Ursache: "Die Debatte um das Verbrenner-Aus ist ein absurdes Schauspiel, das schon jetzt großen Schaden in der EU anrichtet. Die FDP schadet mit ihrer Blockade dem Ansehen Deutschlands in der EU." Deutschland müsse verlässlicher europäischer Partner bleiben. Grünen-Sprecher Rasmus Andresen weist auf die politischen Reaktionen hin: "Die Bundesrepublik bekommt Applaus von den Mitgliedstaaten, die am rechten Rand stehen und den Green Deal am liebsten ganz aufgeben würden."

Mittlerweile haben allerdings die meisten europäischen Autohersteller schon von sich aus alles in die Wege geleitet, um die Transformation hin zum E-Antrieb in die Wege zu leiten und haben damit auch schon Milliardeninvestitionen auf den Weg gebracht. Nun ist guter Rat teuer: Dem Vernehmen nach soll Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag nach Berlin reisen, um mit den Vertretern ihres Heimatlandes nach neuen Lösungen zu suchen; sie wäre ohnedies auf Schloss Meseberg bei einer Kabinettsklausur dabei gewesen. Vielleicht findet sich da noch ein Kompromiss, mit dem die FDP leben kann - dann könnten die Minister am Dienstag den Sack doch noch zumachen.