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Verbund dreht Gashahn zu

Von Karl Leban

Wirtschaft

Aus Kostengründen werden drei Kraftwerke eingemottet und zwei thermische Anlagen geschlossen.


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Wien. Ein Überangebot an Strom sorgt europaweit für stetig fallende Großhandelspreise. Schon seit Jahren dreht sich die Spirale nach unten - und ein Ende ist nicht in Sicht. Viele Stromproduzenten leiden darunter, vor allem jene, die auch thermische Kraftwerke betreiben. So wie der Verbund-Konzern, der nun die Reißleine zieht, weil sich diese Kraftwerke für ihn nicht mehr rechnen.

Ein Jahr hat der österreichische Stromriese Optionen für die unrentabel gewordenen Anlagen geprüft. Aus Kostengründen hat er sich jetzt entschieden, insgesamt fünf thermische Kraftwerke stillzulegen - davon drei vorübergehend und zwei für immer, wie er am Mittwoch ankündigte. Auf diese entfällt knapp ein Zehntel seiner Stromproduktion, die im vergangenen Jahr bei 35.539 Gigawattstunden lag.

Einmotten wird der Verbund die Gas-Kombikraftwerke im steirischen Mellach und an den beiden französischen Standorten Toul und Pont-sur-Sambre. Das ölbefeuerte Fernheizkraftwerk Neudorf/Werndorf II in der Steiermark und das Steinkohlekraftwerk Dürnrohr in Niederösterreich werden hingegen endgültig geschlossen. Weiter in Betrieb bleibt nur das Steinkohlekraftwerk Mellach, das die Stadt Graz mit Fernwärme versorgt.

In Summe wackeln 135 Arbeitsplätze

In den betroffenen Kraftwerken in Österreich sind rund 100 Mitarbeiter beschäftigt, davon 80 allein in Dürnrohr. In den französischen Kraftwerken sind es rund 35. Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber rechnet damit, ungefähr die Hälfte der betroffenen Mitarbeiter in Österreich in anderen Konzernbereichen unterbringen zu können. Für die andere Hälfte sollen Sozialpläne angeboten werden. Insgesamt waren im Unternehmen zuletzt mehr als 3250 Menschen beschäftigt.

Den Zeitraum für die temporäre Stilllegung des rund 550 Millionen Euro teuren Gas- und Dampfkraftwerks Mellach, das erst 2011 in Betrieb gegangen war, gibt Anzengruber mit "sicher vier bis fünf Jahren" an. In Frankreich könnte dies etwas kürzer sein. Anzengruber bezieht sich dabei auf Prognosen, die für die kommenden Jahre von einer beginnenden Verknappung des Angebots am europäischen Strommarkt und damit einhergehend von wieder steigenden Großhandelspreisen sprechen.

Derzeit sind Gaskraftwerke generell nicht kostendeckend zu betreiben, heißt es aus der Branche. Zumal sich die Gasbezugspreise - ein zentraler Punkt - auf einem anhaltend hohen Niveau bewegen. Auch große deutsche Energiekonzerne wie etwa RWE haben Stilllegungen angekündigt.

Bis ein Gaskraftwerk eingemottet ist, dauert es aus technischen Gründen ein halbes bis ein dreiviertel Jahr, erklärt Anzengruber. Ungefähr genauso lange dauert es auch, die gesamte Anlage später wieder hochzufahren.

Was die Großhandelspreise für Strom betrifft, rechnet Anzengruber angesichts eines nach wie vor massiven Überangebots in Europa vorerst mit weiteren Rückgängen. Im Vorjahr war der durchschnittliche Absatzpreis unter 50 Euro pro Megawattstunde abgerutscht, für heuer geht der Verbund-General von einem neuerlichen Absacken des Großhandelspreises auf rund 40 Euro aus.

Damit stehen dem börsennotierten Verbund, der seinen Strom sonst hauptsächlich aus Wasserkraft erzeugt (125 Anlagen), wie vielen seiner europäischen Rivalen beim Gewinn magere Zeiten ins Haus. Für 2014 prognostizierte Anzengruber bei der jüngsten Bilanzpressekonferenz einen drastischen Rückgang um 74 Prozent auf rund 150 Millionen Euro.

Vor allem Deutschland, neben Österreich der wichtigste Absatzmarkt für den Verbund, treibt die Situation auf die Spitze, weil dort derzeit mehr Strom produziert als gebraucht wird - unter anderem wegen der massiven Förderung von Ökoenergien (Wind und Sonne). Gerade Ökoenergien - Stichwort Energiewende - sind es, die europaweit nicht nur die Preise an den Strombörsen purzeln lassen, sondern auch Gas- und Kohlekraftwerke zunehmend aus dem Markt drängen.

Die Generalsekretärin des Branchenverbandes "Österreichs Energie", Barbara Schmidt, bestätigt: "Diese Entwicklung hat ihren Ursprung in Deutschland genommen. Indem der geförderte Ökostrom abgenommen werden muss, sinken die Preise für Strom, während gleichzeitig die Kosten für seine thermische Erzeugung steigen." Ja, die Stromproduktion aus Gas sei "unwirtschaftlich geworden" und erfolge "nur noch dort, wo sie mit einer Fernwärmeauskoppelung verbunden ist".

Was sind nun die Konsequenzen? "Hier gibt es zwei Denkschulen", sagt Schmidt. "Die einen erachten Gas als notwendig für die Sicherstellung der Versorgungssicherheit und plädieren deshalb für eine Förderung aus Steuermitteln. Die anderen betrachten das Problem rein betriebswirtschaftlich: Wenn etwas unrentabel geworden ist, soll man es zusperren. Wenn das nur wenige machen, ist das auch kein Problem, machen es aber viele, wird dadurch die Versorgungssicherheit gefährdet. Dann muss die Politik reagieren."

E-Control-Chef Boltz erwartet "keine relevanten Probleme"

Walter Boltz, Vorstand der Regulierungsbehörde E-Control, erklärt, dass die meisten Gaskraftwerke nur noch in der Heizsaison in Betrieb genommen werden. Die Abschaltung der Verbund-Kraftwerke sei daher "wirtschaftlich nachvollziehbar" und stelle auch für die Verbraucher oder die Versorgungssicherheit "keine relevanten Probleme" dar.

Einzig die Gastransportkosten könnten dadurch leicht steigen, da der Verbund sich in Graz nun nicht mehr an den Transportkosten beteiligen werde, sagt Boltz. Da diese aber nur weniger als zehn Prozent des Endkundenpreises ausmachen, werde das kaum merkbar sein.

Sehr wohl merkbar für die österreichischen Stromkunden ist laut Boltz hingegen die Energiewende in Deutschland. Der Ökostromanteil in Österreich sei mit 75 Prozent zwar viel höher als in dem großen Nachbarland. "Aber wir importieren derzeit auch sehr viel billigen Strom aus Deutschland", so Boltz. Zum einen gehe es dabei um Strom aus den dort zahlreichen Kohlekraftwerken und zum anderen um Überschüsse aus den geförderten Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen. "Das, was früher die Milchseen und Butterberge waren, sind jetzt die Stromüberschüsse", betont Boltz. Österreichs Konsumenten profitierten von den günstigen Preisen, "und Deutschland zahlt die Zeche".