Die Serie von Nackenschlägen für US-Präsident George W. Bush zum Irak setzt sich fort. Innerhalb von nur zwei Tagen zeigten mit Spanien und Honduras gleich zwei der bisher engsten Verbündeten dem Präsidenten die kalte Schulter. Und auch der Präsident der Dominikianischen Republik, Hipoliti Mejija, kündigte an, dass die 300 Soldaten seines Landes in zwei Wochen wieder zuhause sein sollen.
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Zudem sorgt das jüngste Buch des angesehenen Washingtoner Bestseller-Journalisten Bob Woodward über den Weg der US-Regierung in den Irak-Krieg weiter für unschöne Schlagzeilen. Berichte über einen geheimen Handel mit Saudiarabien zur Senkung der US-Benzinpreise rechtzeitig vor den Präsidentschaftswahlen und über "Kriegszweifler" Colin Powell, der von Hardliner Richard Cheney angeblich ausgepunktet wurde, zwangen das Weiße Haus neuerlich in eine Verteidigungsstellung.
Es dürfte Bush zudem schmerzen, dass Jordaniens König Abdullah seinen Washington-Besuch aus Protest gegen den jüngsten amerikanischen Schwenk in Sachen israelischer Siedlungspolitik absagte. Zwar versuchte die US-Regierung, die direkte Heimreise des bisher treuen arabischen Nahost-Verbündeten aus Kalifornien mit internen jordanischen Entwicklungen zu begründen. Aber der kühle Ton der Absage spricht Bände.
Hauptsächlich dürfte aber Spaniens Schritt tiefe Besorgnis in Washington auslösen, weil es um weitaus mehr geht als darum, einen Truppenersatz im Irak zu finden. Es ist der mögliche Dominoeffekt, den Washington zu fürchten hat, wie der angekündigte Rückzug von Honduras und der Dominikanischen Republik bestätigt. Der Ernst der Lage spiegelt sich darin wider, dass Außenminister Powell höchstpersönlich zum Telefonhörer griff, um Irak-Verbündeten wie Rumänien und Bulgarien für deren Engagement zu danken - eine Aktion, die der moralischen Aufrüstung dienen sollte.
Es ist vor allem das Tempo, in dem Spanien seine Truppen abzieht, das in Washington die Alarmglocken schrillen lässt. Der neue Regierungschef Jose Luis Rodriguez Zapatero gab Bush damit keine Chance, Spanien den Verbleib im Irak durch eine neue UNO-Resolution schmackhaft zu machen. Kommentatoren in den US-Medien stuften dies als besonders gravierend ein: Das Vertrauen darin, dass Bush den Vereinten Nationen tatsächlich eine künftige starke Rolle im Irak einräumen wolle, sei offensichtlich gleich Null, und das werde den bevorstehenden Prozess der Machtübergabe im Irak gewiss nicht erleichtern.
Es gibt indessen weiterhin keine Anzeichen für eine Kursänderung auf amerikanischer Seite. Fast roboterhaft wiederholen verschiedene Regierungsmitglieder tagtäglich die Formulierungen, es bleibe beim Stichdatum 30. Juni für die Übergabe der Souveränität an das irakische Volk. Dabei muss Bush derzeit keine negative Auswirkungen auf seine Wahlchancen fürchten. In jüngsten Umfragen lag er wieder mit 49 Prozent vor seinem demokratischen Widersacher John Kerry mit 44 Prozent, und das hauptsächlich getragen durch die allgemeine Überzeugung, dass die Terrorbekämpfung bei Bush immer noch am besten aufgehoben sei.