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Ein Historiker wird Chef des Instituts für Strategie und Sicherheitspolitik.
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Das älteste Forschungsinstitut an der Landesverteidigungsakademie Wien (LVAk) bekommt einen neuen Chef. Sehr zum Leidwesen der Mitarbeiter des Instituts für Strategie und Sicherheitspolitik (ISS), wie Ö1 am Freitag als erstes Medium berichtete. Sie vermuten eine politisch motivierte Postenbesetzung. Denn mit Christian Ortner kommt der als ÖVP-nahe geltende ehemalige Leiter des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM), dessen frühere Mitarbeiter vergangenes Jahr mit Mobbingvorwürfen aufhorchen ließen.
Der 54-Jährige gilt als Experte für Militärgeschichte, von ihm veröffentlichte Bücher handeln von der k.u.k. Armee, dem Ersten Weltkrieg und dem Militär des 19. Jahrhunderts. Die Berührungspunkte mit dem ISS, das sich vor allem mit aktuellen Themen militärischer Strategie und Sicherheitspolitik beschäftigt, seien endenwollend, heißt es aus der LVAk. Denn selbst der zeitgeschichtliche Aspekt des ISS beginnt mit Österreichs Sicherheitspolitik seit 1945.
In der Landesverteidigungsakademie herrsche seit Jahren Personalmangel, eine Leitungsfunktion sei deshalb nicht nur koordinierend tätig, sondern müsse auch inhaltlich mitarbeiten können. Man spricht nicht nur deshalb von einer politisch motivierten Personalentscheidung. Es gab auch keine Ausschreibung, obwohl dies selbst bei einfachen Referenten üblich sei - geschweige denn bei Führungspositionen. "Deshalb steht der Verdacht der Postenkorruption im Raum und damit auch der Verdacht des Amtsmissbrauchs", sagt Herwig Jedlaucnik, Personalvertreter an der LVAk und Mitarbeiter des Instituts, zum Morgenjournal.
"Enormer politischer Druck" bei Besetzung
Dass die interne Kundmachung am 23. Dezember 2022 kam, nachdem man Mitarbeitern nahegelegt habe, Urlaub abzubauen, ist ein weiterer Kritikpunkt. Denn das Institut hatte lediglich eine Einspruchsfrist bis 4. Jänner, die dadurch fast verpasst worden wäre. Die Personalvertretung konnte aber noch rechtzeitig Einspruch einlegen. Ein Personalvertreter der ÖVP-nahen Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) soll im Zusammenhang mit Ortners Bestellung von einem "enormen politischen Druck" gesprochen haben, heißt es aus der Landesverteidigungsakademie. In einem Brief an Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), der der "Wiener Zeitung" vorliegt, steht außerdem, dass eine Auflösung des Instituts in den Raum gestellt worden sein soll.
Das ist noch nicht alles: Seit Monaten habe es schon Gerüchte gegeben, dass Ortner vom Heeresgeschichtlichen Museum zum Institut für Strategie und Sicherheitspolitik gelotst werden sollte. Laut Personen aus der Landesverteidigungsakademie gebe es außerdem Pläne, das HGM bei dem Institut anzugliedern und den Institutsschwerpunkt auf Historisches zu ändern. Das hätten Kabinettsmitarbeiter von Tanner intern schon kundgetan. Analysen aktueller sicherheitspolitischer Fragen würden dann nur noch bei externen Vereinen liegen, befürchtet die LVAk. Das würde ihrer Meinung nach einen großen Qualitätsverlust mit sich bringen.
Verteidigungsministerin Tanner reagierte am Rande eines Pressetermins in Niederösterreich auf die Kritik und meinte, dass die Besetzung keine Entscheidung sei, die sie als Ministerin treffe. Es sei eine gesetzliche Bestimmung, Ortner einen Arbeitsplatz zuzuweisen. "Der entsprechende Akt ist noch nicht einmal vom Generalsekretär und der zuständigen Abteilung unterschrieben worden", so die Ministerin.
Schon früher Kritik an Tanners Besetzungen
Das ist nicht die erste Personalentscheidung, mit der sich die Verteidigungsministerin Kritik eingehandelt hat. Erst Mitte Jänner berichtete der "Standard" über eine Postenbesetzung der Leitungsposition des Truppenübungsplatzes Allentsteig, die seit dem Sommer 2020 zu einem schwelenden Konflikt zwischen Verteidigungsministerium, Ministerium für Öffentlichen Dienst und Bundespräsidentschaftskanzlei geführt hat. Tanner bestehe laut Bericht auf die Ernennung von Herbert Gaugusch, der sich für die ÖVP engagiere, obwohl er wegen fehlender Qualifikation nicht Erstgereihter des Bewerbungsverfahrens gewesen sei. Bundespräsident Alexander Van der Bellen verweigerte Gaugusch zweimal den Kommandantenposten, woraufhin Tanner ihn zum interimistischen Leiter des Truppenübungsplatzes machte und seitdem versucht, den Arbeitsplatz "neu bewerten" zu lassen. Würde er tief genug eingeordnet werden, müsste Van der Bellen die Personalie nicht absegnen.
Neos, SPÖ fordern Klärung, FPÖ auf der Seite Ortners
Erste Reaktionen aus der Politik kamen von Douglas Hoyos, dem Landesverteidigungssprecher der Neos. Er forderte Bundesministerin Tanner auf, die Ernennung zurückzunehmen und "ein ordentliches Bestellungsverfahren" einzuleiten. Auch die SPÖ spricht in einer Aussendung vom "Anschein von Postenschacher", fordert Aufklärung und Transparenz ein.
Der Obmann des Landesverteidigungsausschusses Volker Reifenberger (FPÖ), der sich schon in der Vergangenheit für Ortner eingesetzt hat, sieht gegenüber der "Wiener Zeitung" eine Kampagne gegen Ortner. "Ich habe keinen Zweifel an der fachlichen Expertise und Eignung", so Reifenberger.
Tanner ließ dem Morgenjournal in einer Antwort ausrichten, dass eine Ausschreibung nicht notwendig sei. Auch die Mobbingvorwürfe gegen Ortner wischte sie vom Tisch. Es habe eine interne Untersuchung gegeben, die zu dem Schluss gekommen sei, dass die Vorwürfe nicht stichhaltig seien. Personalvertreter Jedlaucnik kritisiert diese Untersuchung öffentlich, weil Mitarbeiter des HGM zu den Vorwürfen gar nicht befragt worden seien.
Nach den Vorwürfen der HGM-Mitarbeiter meinte Tanner, als sie sich 2022 gegen die Verlängerung Ortners als Direktor entschied, dass neben inhaltlicher Eignung auch wichtig sei, "verbindend und ausgleichend zu sein". Wenige Monate später soll jener Mann Leiter eines Instituts werden, dem sie das indirekt absprach.