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"Ich habe nur gedacht, einer von uns ist verrückt, entweder Herr Diez oder ich", hat Elfriede Jelinek an den Chef des KiWi-Verlages geschrieben. Dieser Georg Diez, der Jelinek an ihrem Geisteszustand zweifeln ließ, hatte im "Spiegel" eine Kritik über Christian Krachts Roman "Imperium" veröffentlicht. Jenem Buch, auf dessen Rücken eine Empfehlung der Nobelpreisträgerin prangt.
Der Artikel mit dem Titel "Die Methode Kracht" (online ist er nicht zu finden, der "Spiegel" wird sich doch nicht gar genieren?) hält dem Schweizer Schriftsteller nicht weniger als die Verbreitung von rassistischem Gedankengut und "demokratiefeindliches Denken" vor. Nun erzählt "Imperium" die Geschichte von August Engelhardt, einem vegetarischen Sonderling mit Weltrettungsdrang. Eine historische Figur, er gründete im deutschen Kolonialreich in der Südsee die Sekte "Sonnenorden", bestehend aus Kokovoren (Kokosnuss-Essern). Vielleicht ist es der historische Hintergrund, der Diez spektakulär in die Anfängerfalle der Literaturkritik tappen lässt: Er setzt den Erzähler, einen ausgewiesenen Antisemiten, mit dem Autor gleich. Er scheint die formalen Zitate und intertextuellen Verweise (einmal spricht der Erzähler wie Hesse, einmal wie Kleist) gar nicht zu sehen. Ja, es gibt einen anderen berühmten Vegetarier in der deutschen Geschichte, sein Scheitern literarisch ironisch runterzubrechen zeugt noch nicht von niederem Instinkt. Eher könnte man Diez so etwas vorwerfen: Der sah wohl die Zeit gekommen, auch etwas vom Ruhm des Kollegen zu kosten. Dumm nur, dass er letztlich als literarisch ungebildeter Denunziant dasteht.