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Barroso erwartet Kürzungen. | Neue Referenden sollen in jedem Fall vermieden werden. | Brüssel. Die Uhr tickt. In knapp einem Monat will die deutsche Bundeskanzlerin und amtierende EU-Vorsitzende Merkel alle Staats- und Regierungschefs der Union auf die Rettung von zumindest Teilen des gescheiterten Verfassungsvertrags einschwören. Auch ein Zeitplan für die Umsetzung spätestens 2009 soll beschlossen werden.
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Auf den ersten Blick scheint das beinahe unmöglich. Zu unterschiedlich hören sich die Standpunkte der europäischen Regierungen an. 18 Mitgliedsstaaten haben das Vertragswerk bereits ratifiziert und wollen daher so geringe Änderungen wie möglich. Frankreich, die Niederlande, Großbritannien, Tschechien und Polen können mit dem vorliegenden Text dagegen zu weiten Teilen wenig anfangen. Abschlägige Referenden in ersten beiden Ländern im späten Frühjahr 2005 haben die Krise erst ausgelöst.
Einig sind sich alle lediglich darüber, dass weitere Volksabstimmungen vermieden werden sollen. Nur Irland wird in jedem Fall eine abhalten müssen, möglicherweise auch Dänemark. Keine neue Referenden wollen die Regierungen in Den Haag und Paris. Gemeinsam mit den Briten und den Tschechen wollen sie den Verfassungsvertrag deutlich kürzen.
Vorerst nur die
nötigsten Reformen
Der Niederländer Jan Balkenende und der scheidende britische Premier Tony Blair sprechen gerne vom "Änderungsvertrag". Der neue französische Präsident Nicolas Sarkozy, der lange den Begriff eines "Mini-Vertrags" gebraucht hatte, will nun einen "vereinfachten Vertrag". Beim Antrittsbesuch bei Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso strotzte er vor Tatendrang und "Enthusiasmus", für die EU rasch einen solchen auf die Beine zu stellen. Es beginne sich ein Konsens in Richtung eines "vereinfachten Vertrags" zu entwickeln, bescheinigte der Gastgeber dem Franzosen.
Kern bliebe die institutionelle Reform, damit künftig effizienter entschieden werden kann. Die notwendige Einstimmigkeit bei vielen Abstimmungen soll fallen. Bis zu 90 Prozent aller Entscheidungen sollten mit doppelter Mehrheit (55 Prozent der Mitgliedsstaaten die mehr als 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren) und Zustimmung des EU-Parlaments getroffen werden können.
Der dritte Teil des Verfassungsvertrags - die Zusammenfassung der Bestimmungen aller bisherigen Verträge - könnte gestrichen, die den zweiten Teil bildende EU-Grundrechtscharta wegen britischer Bedenken zumindest in den Anhang verbannt werden. Auch die im bisherigen Text vorgesehene Verkleinerung der Kommission ab 2014 und sogar des derzeit 785 Abgeordnete umfassenden EU-Parlaments könnte nach Sarkozys Geschmack noch aufgeschoben werden.
Polen hat ganz andere Bedenken. Ihm gefällt das System der doppelten Mehrheit nicht. Das Land verliere damit unverhältnismäßig Stimmgewicht gegenüber Deutschland, moniert die Regierung in Warschau. Immerhin beharrte der polnische Präsident Lech Kaczynski zuletzt nicht mehr auf dem bisherigen System laut Nizza-Vertrag, bei dem Polen überdurchschnittlich gut wegkommt.