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Vereint gegen das Abendland

Von Christoph Rella

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Real Madrid. Allein schon der klingende Name des spanischen Topklubs flößt Respekt ein. Und das nicht nur bei europäischen Vereinen, sondern auf der ganzen Welt. Nicht anders verhält es sich aktuell im fernen Japan, wo der lokale Vertreter Kashima Antlers am Sonntag im Klub-WM-Finale gegen die Königlichen antreten wird. Nun ist diese Konstellation für sich schon eine Sensation und wird wohl in die Sportgeschichte eingehen. Womit aber nur wenige gerechnet haben, ist der hohe Zuspruch, den die Japaner aktuell in weiten Teilen Asiens genießen. Und das, obwohl das Kaiserreich aufgrund seiner früheren Rolle als Kriegs- und Kolonialmacht bis heute bei Koreanern, Taiwanesen und Chinesen verhasst ist - was diese auch oft bei Länderspielen in den Stadien offen zeigen.

Wer aber glaubt, Asien stehe, wie schon der japanische Politologe Francis Fukuyama 1992 mit Blick auf den Fall des Kommunismus postulierte, vor einem "Ende der Geschichte" (und damit einem ewigen Frieden), der irrt. Weder haben die Anrainerstaaten ihre große Liebe zu Tokio entdeckt, noch wird sich Ostasien wegen der Kashima Antlers über Nacht zu einem Friedensprojekt à la EU zusammenschließen. Vielmehr haben sich nur die Konfliktlinien auf eine höhere Ebene verlagert. Und dort heißt der Feind nicht mehr Japan, sondern der Westen. Denn tatsächlich dürften die Asiaten nicht vergessen haben, dass es die Europäer waren, die einst ihre Heimatländer politisch, wirtschaftlich und auch geistig kolonialisierten und ausbeuteten. Dass sich dieses Ressentiment gegen Real Madrid richtet, ist bei dem Allmachtanspruch, den der mehrfache Champions-League- und Klub-WM-Gewinner nun mal verkörpert, nicht verwunderlich. Vom Königstitel im Namen gar nicht zu reden.