Dia Taliban galten in Pakistan bis vor kurzem noch als lästige "Schurken" - mittlerweile hat die Regierung den Ernst des Terrorproblems erkannt. Das belegt ihre jüngste Offensive.
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Bis vor ein paar Monaten sprach man in Pakistan einfach von "Schurken", wenn man die Talibankämpfer, die von den Stammesgebieten aus operieren, meinte. Als Bande von Fanatikern und Gangstern, die man mit Friedensabkommen beruhigen kann, wurden sie meist eingestuft und hauptsächlich als Ärgernis empfunden, nicht aber als tödliche Bedrohung für den Staat.
Das Stadium der Verleugnung scheint nun vorbei zu sein. Die jüngste Offensive gegen die Rückzugsgebiete der Taliban im Süden Waziristans zeigt, dass Pakistan den Ernst seines Terrorismusproblems erkannt hat. Ein ranghoher pakistanischer Militärbefehlshaber drückte mir gegenüber diese neue Haltung, die viele seiner Kollegen teilen, so aus: "Wir müssen gewinnen, wenn unsere Kinder ihr Leben nach eigenen Vorstellungen und eigenem Glauben leben sollen, nicht nach dem dieser Bestien. Ich wollte, ich könnte ausdrücken, wie sehr ich sie hasse. Wir wollen unser schönes, friedliches Land zurück. Wir können nicht zulassen, dass sie unsere Zukunft zerstören."
Der Unmut in Pakistan gegen die Taliban ist heuer stark angewachsen. Noch im April schien alles wie betäubt. Aber seit die islamistischen Extremisten sich näher an die Hauptstadt heranwagten, hat sich etwas verändert. Die Armee startete einen energischen Feldzug, die Talibankämpfer zogen sich zurück, und die Bevölkerung applaudierte.
Daraufhin folgte als Reaktion allerdings eine Welle von Terrorangriffen, und als Besucher bekommt man heute wesentlich mehr Straßenblockaden und Checkpoints zu sehen als noch vor ein paar Wochen. Die Menschen sind nervös, aber die Selbstmordattentäter konnten an der Unterstützung der Bevölkerung für das Vorgehen der Armee in Waziristan nichts ändern.
Ganz im Gegenteil, wie auch ein Blick in pakistanische Zeitungen zeigt. "In anderen Fragen mögen die Politiker noch so geteilter Meinung sein, aber über die Notwendigkeit, militärisch gegen die Terroristen vorzugehen, sind sich alle einig", schreibt zum Beispiel die "Daily Times".
"Laut Mehrheit der Bevölkerung war das schon lang überfällig", erklärte mir ein Mitarbeiter des pakistanischen Geheimdienstes. Die jüngste Terrorwelle sieht er als Versuch der Taliban, die Bevölkerung gegen das Militär aufzubringen. "Das wird uns aber von der Offensive nicht abhalten."
In seinem Büro ganz in der Nähe der Militärzentrale von Rawalpindi, die am 10. Oktober von den Taliban angegriffen wurde, hatte ich ein Treffen mit Militärsprecher Athar Abbas. Er bestätigte mir, dass mit der Offensive gegen die Taliban die alten Ansichten begraben wurden, wonach "wir schon irgendwie mit ihnen auskommen und sie zu uns ins Boot holen können."
Rund 28.000 pakistanische Soldaten sind auf dem Weg nach Südwaziristan, um geschätzte 5000 bis 10.000 Talibankämpfer aufzuspüren. Die Truppen sollen so lange dort bleiben, bis sie das gesamte Gebiet kontrollieren - wohl zum ersten Mal in der Geschichte Pakistans.
Aber damit das gelingen könne, so Abbas, müsse Pakistans Armee als unabhängig von den USA angesehen werden: "Haltet euch raus, haben wir zu den Amerikanern gesagt, lasst uns das machen!" Um ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren, verlangten die Pakistaner von den USA auch, die äußerst wirkungsvollen Angriffe mit Predator-Drohnen einzustellen. "Die Unterstützung der Öffentlichkeit ist wichtiger", so ein Offizier.
Sollte der Vorstoß in Waziristan Erfolg haben, würde das für die Region eine wichtige neue Dynamik bedeuten. Nicht mehr mit einem schwachen Pakistan, das seine Grenze zu Afghanistan nicht unter Kontrolle hat, sondern mit einem erstarkten Pakistan, das auch ein stärkerer Partner im Afghanistan-Krieg sein könnte, hätten wir es dann zu tun. Das wäre auch für die USA ein großer Auftrieb. Funktionieren kann das jedoch nur, wenn "Made in Pakistan" draufsteht.
Übersetzung: Redaktion