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ExpertInnen aus China, den USA sowie Europa trafen einander vom 11. bis 15. September beim 2. Europäischen Kongress für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) in Wien. Vor allem die Entwicklung der TCM hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten, Forschungsergebnissen, Ausbildungsstrukturen sowie die rechtliche Situation standen im Mittelpunkt der Diskussion. Gesucht wurde auch nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der klassischen westlichen Medizin.
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Das System der dialektischen Diagnostik ist über 3.000 Jahre sehr ausgereift. Daher gebe es in der TCM nur eine richtige, mögliche Diagnose für den Patienten. Darum streiten in China etwa auch ein Orthopäde und ein Internist nicht darüber, welche Erkrankung der Patient hat, denn es könne nur einen Zustand geben, erklärte Andreas Bayer, Allgemeinmediziner und Präsident der TCM-Akademie in Wien, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" die Grundsätze der chinesischen Medizin. Dieser Zustand wird mittels Puls- und Zungendiagnostik, Betrachten und Befragen bestimmt - als Zusatzinfo werden auch Röntgen- oder CT-Bilder und das Blutbild herangezogen.
Gesundheit ist nach dem chinesischen Konzept ein instabiler Zustand, für dessen Aufrechterhaltung der Einzelne sorgen muss. Die TCM unterstützt bei deren Aufrechterhaltung. Therapieziel ist das Wiederherstellen des körperlichen Gleichgewichts und die Ankurbelung der Selbstheilungskräfte mit Hilfe von Akupunktur, chinesischer Pharmakologie, Tuina, Präventiv- und Kurativdiätetik, Qi Gong und Tai Chi.
Bei chronischen Krankheiten
Die TCM ist bei chronischen Krankheiten sehr wirksam - sie versagt aber, wenn ein Organ die Funktion eingestellt hat - hier tritt die Schulmedizin in Aktion. Akupunktur wirkt auf das Hormon-, Immun-, Gefäß- und vegetative System - bei Blutdruck-, Verdauungsstörungen oder Stresssyndromen. Hervorragende Ergebnisse konnten etwa bei Altersdiabetes erzielt werden, berichtete Bayer. Bei Krebspatienten kann die chinesische Medizin Auswirkungen auf den Rest des Körpers minimieren.
Entwicklung von Standards
Als wichtig erachtet der TCMler die Entwicklung von Standards als Qualitätserfordernis. Als hierzulande anerkannte Ausbildung gibt es derzeit nur das Akupunkturdiplom der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Dieses stelle allerdings nur eine Art Mindesterfordernis für das Handeln dar. Da das Diplom nur auf freiwilliger Basis beruht, könne jeder Arzt Akupunktur anwenden, auch wenn er es nur aus Büchern gelernt habe, warnt Bayer. In Österreich gibt es rund 6.000 Ärzte, die Akupunktur anbieten - etwa 1.700 mit ÖÄK-Diplom (6- bis 10wöchige Ausbildung).
Akupunktur sei hingegen eine Technik als Folge einer Diagnose, wie Bayer näher definiert, und könne nicht in 100 Stunden erlernt werden. TCM sei ein ähnlich komplexes System wie die Schulmedizin und verlange ein fünfjähriges Studium. Für das Erlernen der Technik selber - es existieren 365 reguläre, mehr als 200 Extrapunkte und 100 Ohrpunkte - hat man hingegen in der TCM-Akademie 300 bis 400 Stunden zu absolvieren und nochmal so viele für die Kenntnisse in der Diagnostik. Bei der Schnellausbildung lerne man zwar, wo der Punkt ist, könne aber nur symptomatisch stechen. Man könne nicht unterscheiden zwischen einem Symptom und einem Krankheitsauslöser und daher Krankheiten als solche nicht behandeln.
Das ÖÄK-Diplom sei aber wichtig, weil die Akupunktur dadurch verbreitet wird und diese bei einfachen Indikationen, wie Schmerzen, gut hilft.
Im Dezember 2001 hat der Europäische TCM-Dachverband als erster die europäische Prüfungs- und Zulassungsbehörde - PERL (Pan European Agency of Registry and Licency) - gegründet. Diese erfasst sowohl die ausbildenden Einrichtungen als auch den Ausbildungsstatus der Lehrenden und bereitet die erste standardisierte Prüfung über TCM-Grundlagen vor. Zielsetzung ist, eine standardisierte Zertifizierung nach EU-Kriterien, die unabhängig vom Ort in der EU angewendet werden kann.
Politik am Pranger
Bayer prangert die Politik an: Das Kassensystem weigere sich, nachzusehen, ob es nicht günstigere, bessere Alternativen gebe. Eine klassenlose Medizin, die an sich billig für jeden anwendbar sei, werde damit zur klassenorientierten Medizin. Die so genannten Zivilisationskrankheiten belasten das System zu 85 Prozent. Nur 15 Prozent der Gesundheitsausgaben gehen in Akuttherapie, Herztransplantationen, Unfallchirurgie oder Tumortherapie. Es werde genau dort gestrichen, wo Mittel langfristig eingespart werden könnten - in der Vorsorge. "Wird jedoch in der Prävention gespart, so verdient keine Pharmafirma, kein Spital und kein Arzt", skizzierte der TCMler die Lage. Jeder sollte möglichst ohne Eigenleistung Zutritt zum medizinischen System haben, jedoch gehöre die Gesundheit massiv gefördert, so seine Forderung.
In Österreich gibt es etwa 400 niedergelassene TCM-Therapeuten. Die TCM-Akademie bietet als einzige deutschsprachige Gesellschaft eine international anerkannte Ausbildung als universitäre Leistung mit akademischem Abschluss an. Die Vollausbildung führt zum Master in Oriental Medicine.
Die TCM verstehe sich nicht als Komplementär-, sondern als Kooperationsmedizin - als Ergänzung zur Schulmedizin. So unterschiedlich die Systeme auch sind, so sehr sollten sie gemeinsam zum Wohle des Patienten eingesetzt werden.
TCM-Info-Hotline: Dienstag und Donnerstag von 11 bis 13 Uhr: 0676/5998891 oder http://www.akademie.info
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