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Die Zensoren sind empört. Das allein wäre noch nichts Außergewöhnliches. Empörung ist schließlich Kernaufgabe ihres Berufsstandes. Ungewöhnlich ist jedoch, dass sich der Unmut der chinesischen Wächter der öffentlichen Moral jetzt gegen einen Biologen richtet. Noch dazu gegen einen, der es doch nur besonders gut gemeint hat mit der chinesischen Führung: Er hat eine neu entdeckte, sehr seltene Käferart nach dem Staatspräsidenten benannt.
Nun soll aber - nach dem Willen der Zensurbehörde - jede Erwähnung des Rhyzodiastes xii gelöscht werden. Der chinesische Wissenschafter Cheng Bin Wang, der in Prag forscht, versteht die Welt nicht. Wang schwärmt, dass der äußerst seltene Käfer mit glänzendem Körper sich von verrottetem Holz ernähre und damit eine Metapher für Präsident Xi sei. Dieser sei ebenfalls eine "sehr seltene Person, die man nur ein Mal im Jahrhundert findet". Sein Kampf gegen Korruption sei wie das Fressen von Fäulnis und werde diese langfristig verschwinden lassen.
Neue Gattungen nach Staatsoberhäuptern zu benennen, hat zudem Tradition. Nach George W. Bush etwa ist ein Schwammkugelkäfer benannt, eine Orchideenart erinnert an Michail Gorbatschow und nach Nelson Mandela heißt ein Springkrebs. US-Präsident Barak Obama ist gleich Namenspate für mehrere Arten - die Palette reicht von einem Springbarsch und einer Flechte bis zur fossilen Echsenart und einem neu entdeckten Faulvogel.
Man kann sich seine Verehrer und die Mittel, mit denen sie ihre Liebe kundtun, nicht aussuchen. Ein Schelm, wer hier Doppelbödiges wittert. Noch dazu in China.