Das Staatsziel Wirtschaftsstandort schwächt Umwelt- und Naturschutz. Nachhaltige Reformen sehen anders aus.
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Heiß umfehdet, wild umstritten: Das geplante Staatsziel Wirtschaftsstandort sorgt für heftige Debatten. Tatsächlich will die Bundesregierung den Umwelt- und Naturschutz in Österreich strategisch schwächen - ganz offensichtlich ohne Rücksicht auf Verluste, wie ein Blick auf laufende Vorhaben zeigt: Denn auf das Staatsziel folgen noch ein Standortanwalt, der in UVP-Verfahren Umweltanliegen kleinreden soll, sowie ein Standortentwicklungsgesetz, das eine eigene bürokratische Parallelstruktur schafft, um ein öffentliches Interesse an bestimmten Projekten vorzutäuschen. Parallel dazu gibt es schon konkrete Deregulierungspläne, um unsere hohen Standards auf die Mindestvorgaben von EU-Richtlinien zurechtzustutzen.
Der rote Faden dieser Projekte: Unter dem Deckmantel der Verfahrensbeschleunigung sollen Umweltstandards und Beteiligungsrechte möglichst ausgehebelt werden. Wenn sich diese Linie durchsetzt, landet Österreich bald wieder in der Zeit vor Zwentendorf und Hainburg.
Wie groß ist der Handlungsbedarf wirklich? Statistiken zeigen, dass seit dem Jahr 2000 nur vier Prozent aller abgeschlossenen UVP-Verfahren mit einem negativen Bewilligungsbescheid endeten. Auch deshalb ist es überschießend, das gesamte System in Frage zu stellen. Spätestens mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zur Bewilligung der dritten Piste des Flughafens Wien ist zudem der vorgeschobene Anlass für den Staatsziel-Populismus weggefallen.
In diesem Sinne sollte auch die Bundesregierung ihre Pläne ad acta legen und sich den wahren Herausforderungen widmen. Dazu zählen vor allem klare Gesetze, die eine naturverträgliche Energiewende ermöglichen. Darüber hinaus braucht es eine Föderalismusreform, die eine einheitliche Vollziehung und eine bessere Zusammenarbeit von Behörden sowie eine frühzeitige Bürgerbeteiligung sichert. Genauso wichtig wäre es, die teils überlasteten UVP-Behörden mit mehr Personal auszustatten. Weiters müssen die Projektunterlagen besser werden: Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass Dokumente mit mangelnder Qualität und Vollständigkeit oft für Flaschenhälse in Verfahren sorgen.
Fazit: Nachhaltigkeit und Umweltschutz als Anliegen der gesamten Bevölkerung dürfen nicht leichtfertig aufgrund von Partikularinteressen einzelner Projektbetreiber aufs Spiel gesetzt werden. Dagegen müsste übrigens auch eine Umweltministerin, die ihre Aufgabe ernst nimmt, mit klaren Worten auftreten. Tatsächlich ist dazu nichts überliefert, was erneut zeigt, dass die Umweltpolitik von Türkis-Blau im Schatten anderer Interessen steht. Umso klarer müssen sich jetzt Christian Kern und Matthias Strolz positionieren. Denn sie können das neue Staatsziel noch verhindern, wenn SPÖ oder Neos im Parlament die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit verweigern. Andernfalls macht sich nämlich auch die Opposition zum Steigbügelhalter für das Durchboxen kritischer Großprojekte.
Klar ist: Wer sich darauf einlässt - und das gilt für alle Parteien - riskiert im Endeffekt mehr Umweltverschmutzung und Naturzerstörung in Österreich. Wollen wir das wirklich als Staatsziel?