Gastbeitrag: Der Wiener Rechtsanwalt Michael Rohregger über die in Begutachtung befindlichen Neuerungen | zur Verfahrenshilfe.
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Wien. Das Institut der Verfahrenshilfe ermöglicht finanziell schwächeren Personen die Durchsetzung ihrer Rechte, indem sie bei Führung von Prozessen (einstweilig) von den Anwalts- und sonstigen Verfahrenskosten befreit werden. Neben der mangelnden Finanzkraft bestehen für die Gewährung von Verfahrenshilfe weitere Voraussetzungen, insbesondere darf die Prozessführung nicht mutwillig oder aussichtslos sein.
Während in gerichtlichen Zivil- und Strafverfahren die Gewährung von Verfahrenshilfe seit langem möglich ist, war die Möglichkeit von Verfahrenshilfe in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten bislang auf Verwaltungsstrafsachen beschränkt.
Bisherige Regelung verfassungswidrig
Mit seinem Erkenntnis vom 25.06.2015, G 7/2015, hat der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung über die Regelung der Verfahrenshilfe in verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 40 VwGVG) als verfassungswidrig aufgehoben: Es beeinträchtige das aus Art 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) abgeleitete Recht auf effektiven Zugang zu einem Gericht, wenn nicht auch in normalen (= administrativen) Verwaltungssachen die Möglichkeit der Gewährung von Verfahrenshilfe besteht.
Der Gesetzgeber hat nun bis Jahresende die Verpflichtung, eine verfassungskonforme Rechtslage zu schaffen, welche die Bewilligung von Verfahrenshilfe auch in administrativen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ermöglicht. Ein entsprechender Gesetzesentwurf befindet sich derzeit in Begutachtung. Nach diesem ist einer Partei im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten Verfahrenshilfe immer dann zu bewilligen, wenn dies auf Grund des Art 6 EMRK oder des Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geboten ist, also zur effektiven Rechtsverfolgung notwendig ist. Daneben gibt es weiterhin die Voraussetzungen, wonach die Partei finanzschwach sein muss und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos sein darf.
Von den Voraussetzungen her fügt sich dies in etwa in die bisherigen Regelungen. Systematisch bringt dies aber einige Neuerungen: War von Verfahrenshilfe in Zivil- und Strafsachen praktisch nur das Justizministerium betroffen, so erfasst die Neuregelung alle Ressorts. Auch organisatorisch entstehen neue Herausforderungen: Für Verwaltungsgerichte waren Verfahrenshilfen bisher die Ausnahme. Dies wird sich ändern, was etwa die Einführung des Elektronischen Rechtsverkehrs bei den Verwaltungsgerichten beschleunigen könnte.
Auch die Anwaltschaft muss sich darauf vorbereiten, dass zu den bisherigen Bereichen des Zivil- und Strafrechts nunmehr mit dem Verwaltungsrecht ein dritter Bereich tritt. Dies erhöht für Rechtsanwälte den Aufwand für die (unentgeltliche) Betreuung von Verfahrenshilfen. Und zuletzt wird man auch sehen, wie sich die Verfahrenshilfe in jenen Bereichen des Verwaltungsrechts (z. B. des Fremden- und Asylrechts) entwickelt, die bisher die Domäne von NGOs waren. Insgesamt ist eine Neuregelung aus rechtsstaatlicher Sicht aber jedenfalls zu begrüßen, auch wenn ein paar neue Aspekte geklärt werden müssen.
Zum Autor
Michael
Rohregger
Dr. Michael Rohregger ist Rechtsanwalt in Wien mit Schwerpunkt Wirtschaftsrecht, Wirtschaftsstrafrecht sowie Verfassungsrecht und Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer Wien.