Studentenprotest startet mit Marsch durch Innenstadt. | Regierung geht künftig von kürzerer Studienzeit aus. | Wien. Die Studenten sehen sich als jene Personengruppe, die durch das beschlossene Budgetpaket am meisten geschröpft wird. "Damit haben wir nicht gerechnet. Wir sind wütend und fassungslos", sagt ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer zur "Wiener Zeitung". Der Protest gewinnt jetzt an Stärke. Am Donnerstag kommt es zu einer Großdemonstration in der Wiener Innenstadt. Auch in den Landeshauptstädten Salzburg, Linz, Klagenfurt und Graz sind Aktionen geplant, insgesamt werden über 9000 Teilnehmer erwartet.
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Mit den jüngst beschlossenen Budgetmaßnahmen werde rund 35.000 Studierenden praktisch die Existenzgrundlage entzogen, es werde zu einer weiteren Verlängerung der Studiendauer kommen beziehungsweise zu einer noch höheren Abbruchquote, wettert Maurer gegen das Regierungspaket. Wie berichtet, soll unter anderem die Familienbeihilfe ab 1. Jänner 2011 nicht mehr bis zum vollendeten 26. Lebensjahr, sondern nur noch bis zum 24. Lebensjahr ausbezahlt werden. Die Koalition will damit 70 Millionen Euro einsparen. Den Universitäten wurden gleichzeitig 80 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr zugesichert.
Doch diese Rechnung geht laut Studentenvertreter nicht auf. "Die 80 Millionen kompensieren nur die davor beschlossenen Einsparungen. Das bedeutet, die Universitäten bekommen keinen Cent mehr", so Maurer von der grün-alternativen Fraktion.
"60 Prozent arbeiten schon nebenbei"
Auch die Diskussion, dass die Familienbeihilfen in anderen Ländern auch nicht länger ausbezahlt werden und die Regierung jetzt "nur" nachgezogen habe, sei verfehlt. "Die Systeme lassen sich nicht vergleichen. In Dänemark etwa hört die Familienbeihilfe mit 16 auf. Aber dort bekommen dann alle Studierenden einen Fixbetrag vom Staat bezahlt, damit sie studieren können. Bei uns arbeiten bereits 60 Prozent neben ihrem Studium", so Maurer weiter. Damit sei es kaum möglich, ein Studium in der vorgegeben Zeit abzuschließen.
Die Regierung sieht die Gefahr einer längeren Studiendauer weniger dramatisch. Durch den Bologna-Prozess, mit der Umstellung auf Bachelor und Master, sei zu erwarten, dass die Studenten schon mit 24 Jahren "den ersten Studiumsschritt finalisiert haben", meinte zuletzt Finanzminister Josef Pröll.
In Schockstarre wollen die Studierenden jedenfalls nicht verfallen. Die Demonstrationen heute ab 16 Uhr sollen nur der Auftakt für eine länger dauernde Protestbewegung sein. Mittwochabend gab es dazu ein eigenes "
unibrennt"-Plenum an der TU-Wien, dort wurde über den künftigen "Protestpfad" beraten.
Zuvor machte schon der Verband Sozialistischer Studenten (VSStÖ) vor der Hauptuniversität auf die steigenden psychischen Erkrankungen unter Studierenden aufmerksam. Die Aktion am Mittwochvormittag wurde schon terminisiert, bevor Einzelheiten über das Sparbudget bekannt wurden. Demnach zeigt die Studierendensozialerhebung, dass nicht nur die finanzielle Situation für Studenten in Österreich prekär ist, sondern, dass auch die psychischen Belastungen zunehmen. Jeder fünfte Studierende leidet an depressiven Störungen, etwa 17 Prozent sind vom Burn-Out-Syndrom betroffen. Damit einher geht der steigende Konsum von lernstimulierenden Medikamenten, etwa Koffeintabletten oder Ritalin.
Psychische Situation verschärft sich
"Angesichts der Datenlage ist es blanker Zynismus, die Familienbeihilfe kürzen zu wollen. Wir gehen davon aus, dass sich damit nicht nur die finanzielle, sondern auch die psychische Situation drastisch verschärfen wird", so VSStÖ-Wien Vorsitzende Natascha Strobl.
Zum Protest ruft auch die Bundesjugendvertretung auf. "Wir wurden als gesetzliche Interessenvertretung für junge Menschen im Gegensatz zu den Seniorenvertreter in keiner Weise in die Verhandlungen einbezogen. Das Ergebnis ist erschütternd", sagt Vorsitzende Magdalena Schwarz. Die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft nennt unterdessen überhaupt das gesamte Budget "jugendfeindlich" und "einfach untragbar".