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Verfassung: Vor Aus für Hunderte Kommissionen

Von Andreas Unterberger

Politik

Reformgruppe in wichtigen Teilen weitgehend einig. | Erste Etappe der Verfassungsreform bis Jahresende? | Keine Einigung bei Finanzen, Legalitätsprinzip undFöderalismus. | Wien. Ohne viel öffentliche Aufmerksamkeit sind die Arbeiten an einer Teilreform der Bundesverfassung weit gediehen. Der frühere Nationalratspräsident Andreas Khol, der zusammen mit dem Volksanwalt Peter Kostelka und vier Experten an der Reform arbeitet, ist optimistisch, dass (samt Begutachtung und Ausschussdebatten) die ersten Ecksteine der Reform bis Jahresende parlamentarisch erledigt sein können.


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Wenn die Vorstellungen der Sechsergruppe Wirklichkeit werden, kommt es vor allem zu einer gewaltigen Strukturbereinigung bei rund 300 Kommissionen, die auf Bezirks- und Landesebene derzeit für diverse Dinge zuständig sind: vom Wildschaden bis zum Grundverkehr. Gleichzeitig soll es den Finanzsenaten und Unabhängigen Verwaltungssenaten an den Kragen gehen.

Sie werden entweder reine Verwaltungsbehörden oder durch neue Gerichte ersetzt: Auf Landesebene durch Landes-Verwaltungsgerichte; und auf Bundesebene durch ein "Verwaltungsgericht erster Instanz des Bundes".

Diese neuen Gerichte bilden im künftigen Instanzenzug einen Eckpfeiler: Sie sind künftig generell zweite Instanz gegen Entscheidungen von Verwaltungsbehörden. Dagegen ist nur noch ein außerordentliches Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof möglich; dieser bekommt weitgehende Ablehnungsrechte gegen Beschwerden.

Damit fallen in der Verwaltungswirklichkeit viele Behörden und Instanzenzüge weg. Bisher hat es ja beispielsweise schon auf Gemeindeebene "Vorstellungen" gegen die Erstentscheidung gegeben.

Gleichzeitig gibt es eine viel klarere Trennung zwischen der Verwaltung und Gerichten. Die gemischten Verwaltungsbehörden mit einem Richter werden abgeschafft.

Grünes Licht gibt es hingegen künftig für die Schaffung weisungsfreier Behörden durch einfache Gesetze. Solche Behörden konnten bisher auf Grund der strikten Judikatur des Verfassungsgerichtshofs jeweils nur durch ein Verfassungsgesetz geschaffen werden. Künftig können sie für bestimmte Aufgaben immer geschaffen werden: Für Rechtsschutz, sachverständige Entscheidungen, Wahlen oder EU-Regeln.

Stark gestrafft werden soll auch das übrige Verfassungsrecht: Künftig können durch Staatsverträge auch ohne eigene Verfassungsbestimmungen Rechte und Aufgaben an internationale Organisationen übertragen werden.

"BV" statt "B-VG"

Ein weiteres Reformprojekt: Die derzeit auf rund 1300 Nebengesetze verstreuten Verfassungsbestimmungen werden dezimiert. Sie haben nur noch dann Verfassungscharakter, wenn das betreffende Gesetz ausdrücklich im letzten Artikel der geplanten Verfassung als sogenannter "Trabant" aufgezählt wird. Dazu zählen etwa das Neutralitäts-, das Habsburger, das Verstaatlichten- oder das Verbotsgesetz. Diese Liste soll maximal 70 Gesetze umfassen.

Die neue österreichische Bundesverfassung soll übrigens nicht mehr "B-VG" abgekürzt werden, sondern "BV" - für Juristen eine epochale Änderung.

Die allerheikelsten Dinge sind freilich noch völlig offen. Dazu zählen die Finanzverfassung (Aufteilung der Steuergelder zwischen Bund, Ländern und Gemeinden), das Legalitätsprinzip (die strikte Bindung des Verwaltungshandels an die Gesetze), Länderkompetenzen und die Stichworte Staatsziele sowie Präambel.

Khol sieht die Fortschritte der Gruppe als "konsequente Fortsetzung eines Verfassungsprozesses, der schon 1990 begonnen hatte", der seither aber viele Rückschläge erlitten hat. Besonders wichtig, so Khol, seien die Arbeiten des Österreich-Konvents gewesen wie auch die anschließenden Parlamentsberatungen zur Verfassung.