Aktionär des Getränkekonzerns Ottakringer kippt Erheblichkeitsschwelle.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) stärkt die Kontrollrechte von Minderheitsaktionären. Mit der Entscheidung G 175/10-12 haben die Höchstrichter bei Unternehmensverschmelzungen eine Prüfungshürde für Kleinaktionäre als verfassungswidrig aufgehoben. Diese Entscheidung erkämpfte die Kapitalmarkt-Anwältin Maria Brandstetter für den Interessenverband für Anleger (IVA) um Wilhelm Rasinger. Anlassfall ist die Verschmelzung des Getränkekonzerns Ottakringer mit der Vöslauer Mineralwasser AG im Herbst 2009.
Ein Kleinaktionär, der 30.440 Euro in Ottakringer-Aktien investierte, hielt das Umtauschverhältnis für nicht angemessen, weil die Vöslauer-Aktionäre "mehr erhielten, als ihnen zustünde". Vöslauer sei mit 25 bis 50 Prozent gegenüber Ottakringer überbewertet, behauptete der Anleger. Er beantragte beim Handelsgericht die Prüfung des Umtauschverhältnisses und forderte "einen Ausgleich durch bare Zuzahlung durch Ottakringer". Doch bisher mussten Aktionäre, die die Angemessenheit gerichtlich prüfen lassen wollten, mindestens ein Prozent des Grundkapitals oder Aktien mit einem Wert von 70.000 Euro halten. Das Oberlandesgericht Wien ortete Bedenken gegen diese Einschränkung. Diese Erheblichkeitsschwelle für den Rechtsschutz eines Aktionärs sei "sachlich nicht zu rechtfertigen". Indes sah Ottakringer keine Rechtsverletzung, da ein Verschmelzungsprüfer (Wirtschaftstreuhänder) die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses geprüft habe. "Der VfGH betont, dass die Gewährung von Rechtsschutz nicht von der Höhe des Betrags abhängt, der erstritten werden soll", hießt es in der Entscheidung. "Einem Antrag auf Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung können Werte zugrunde liegen, die zumindest für einen Kleinanleger bedeutend sein können." Wie der Oberste Gerichtshof ist auch das Verfassungsgericht der Ansicht, dass "das Hinausdrängen von Minderheitsaktionären einen Eigentumseingriff darstellt". Weiter heißt es: "Es zeigt sich also, dass das Hinausdrängen von Gesellschaftern unter Ausschluss von Gesellschaftern, deren Beteiligung unter der Erheblichkeitsschwelle liegt, einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentum darstellt und sachlich nicht zu rechtfertigen ist." Wilhelm Rasinger: "Das Handelsgericht muss nun die beantragte Prüfung durchführen."