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Verfassungsgericht stoppt EU-Vertrag

Von WZ Online

Europaarchiv

In Österreich will Strache klagen. | Karlsruhe. Deutschland darf den EU-Reformvertrag von Lissabon erst ratifizieren, wenn die Begleitgesetze zu seiner Umsetzung verändert werden. Das entschied das deutsche Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe.


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Zwar sei das deutsche Zustimmungsgesetz zu dem Vertragswerk mit dem Grundgesetz vereinbar, bevor Bundespräsident Horst Köhler seine Unterschrift unter den Vertrag setzt, müssten aber zunächst die Beteiligungsrechte von Bundestag und Bundesrat gestärkt werden, heißt es in dem am Dienstag verkündeten Urteil.

Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen rechnet trotzdem nicht mit nennenswerten Verzögerungen. Das von den Karlsruher Richtern geforderte Begleitgesetz zur Stärkung der Rechte von Bundestag und Bundesrat könne in Kürze verabschiedet werden, sagte Leinen. Dies werde mit Sicherheit noch vor der Bundestagswahl im Herbst geschehen. "Der politische Wille ist da, es wird keine Verzögerung geben."

Der Kern des Karlsruher Urteils sei ein "Ja zum Lissabon-Vertrag", sagte Leinen. Die Richter hätten festgestellt, dass der Vertrag mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Damit seien die Klagen der Vertragsgegner abgewiesen worden. Mit diesem Urteil sei eine "weitere Hürde auf dem langen Weg zur Ratifizierung des Lissabon-Vertrags genommen". Nun gebe es berechtigte Hoffnungen, dass der Reform-Vertrag bis Jahresende in Kraft treten kann - "nach fast 10 Jahren endloser Debatten".

In Österreich wertet FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache das Urteil des deutschen Verfassungsgerichts als "klaren Beweis für die Richtigkeit der freiheitlichen Position". Er forderte laut Pressemitteilung vom Dienstag eine Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag, da es sich um eine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung handle. Andernfalls werde die FPÖ mit Kundmachung des Lissabonner Vertrages im Österreichischen Bundesgesetzblatt eine Klage beim VfGH einbringen, kündigte Strache an.

"Der deutsche Bundesverfassungsgerichtshof hat heute klar gestellt, dass der Vertrag von Lissabon mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist", meint der VP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Ernst Strasser. Die geforderten Nachbesserungen änderten "nichts an der Qualität des Ja des Gerichtshofes zum Vertrag", führte Strasser aus.

Erleichtert äußerte sich auch die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulrike Lunacek, die für die Grünen neu ins Europaparlament einzieht. Mit dem Urteil in Karlsruhe sei "trotz der Ablehnung des deutschen Begleitgesetzes eine weitere Hürde auf dem Weg zum Inkrafttreten des Reformvertrages genommen". Sie hoffe, "dass der Deutsche Bundestag noch vor der Bundestagswahl im September das Begleitgesetz entsprechend ändert".

"Wenn nun die politischen Kräfte der Mitte nicht handeln, spielen sie Rechtsaußen in die Hände", hat der unabhängige EU-Mandatar Hans-Peter Martin am Dienstag das Urteil der deutschen Verfassungsrichter kommentiert. Er fordert eine Nachbesserung zum Lissabon-Vertrag auch in Österreich.