Fragen nach der Verantwortung der Staatsanwaltschaft werden laut.
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Wien. Ein Innenminister, der dem Justizminister die Verantwortung zuschiebt. Ein Justizminister, der seine eigene Behörde ebenso wie den Innenminister und dessen Generalsekretär indirekt der Einflussnahme bezichtigt und von "Ermittlungsdruck" spricht. Ein FPÖ-Klubobmann, der sich wiederum auf den Justizminister einschießt, dieser habe sich den "Oppositionsvirus einer angeblichen Einflussnahme in das Justizressort durch Innenminister Herbert Kickl" eingefangen. Und eine Opposition, die inzwischen geschlossen den Rücktritt von Kickl fordert, dem "gefährlichsten Innenminister der Zweiten Republik", wie SPÖ-U-Ausschuss-Beauftragter Jan Krainer am Mittwoch betonte.
SPÖ, Neos und Liste Pilz haben nun die bereits dritte Sondersitzung des Nationalrats zur hochumstrittenen Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) erwirkt. Sie muss nun innerhalb von 14 Tagen stattfinden. "Ich gehe davon aus, dass es einen gemeinsamen Misstrauensantrag gegen Kickl geben wird", sagte SPÖ-Chef Christian Kern am Mittwoch am Rande des Europäischen Forums Alpbach. Kern will, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz den Innenminister abberuft, spricht von "dröhnendem Schweigen" des Kanzlers und ÖVP-Chefs und fragt sich, ob die Spitze des Justizministeriums "Teil des Vertuschungsvorgangs" oder "selbst missbraucht worden ist".
Die BVT-Affäre entwickelt sich, noch vor der ersten Zeugeneinvernahme im U-Ausschuss am kommenden Dienstag, zu einem ersten Streitfall in der ÖVP-FPÖ-Koalition - und auch zu einer Debatte über Effizienz, Kontrolle und Verantwortung in der österreichischen Justiz.
Staatsanwälte gegen Informationspflicht
Er wolle sich die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) genauer ansehen, schloss Moser am Dienstag auch personelle Konsequenzen nicht aus. Der gesamte Vorgang wird nun, "in alle Richtungen"; wie Moser ankündigte, von der bei internen Untersuchungen erfahrenen Korneuburger Staatsanwaltschaft beleuchtet. Die dortigen Staatsanwälte sind schon jetzt mit Anzeigen gegen den Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber, befasst. Vor allem aber will Moser die bisher weisungsfrei agierende WKStA wieder an die Leine nehmen. Eine frühe Berichtspflicht der Behörde gegenüber der Oberstaatsanwaltschaft soll künftig Entwicklungen wie in der Causa BVT verhindern.
Öhlinger skeptisch gegenüber Generalstaatsanwalt
Cornelia Koller, Präsidentin der Vereinigung der Staatsanwälte, hält davon nicht viel. Dies wäre ein Rückschritt, vor allem bei der Bekämpfung internationaler Korruption, so Koller im Ö1-"Mittagsjournal". Sie spielt den Ball wieder zurück an die Politik - und erneuert eine langjährige Forderung der Staatsanwälte, die Einführung eines vom Parlament bestellten, politisch unabhängigen Generalstaatsanwalts. Zumindest eine Diskussion darüber wünscht sich auch der renommierte Verfassungsrechtler Theo Öhlinger. Aber: "Aufgrund eines Falls, mag er auch von großer Tragweite sein, wäre es keine gute Idee, sofort einen Generalstaatsanwalt einzuführen", sagt Öhlinger. Er verweist auf die lange Tradition der Staatsanwaltschaften in Österreich als weisungsgebundene Behörden. "Wohin eine völlig weisungsfreie Staatsanwaltschaft auch führen kann, sieht man in Italien." Dort könne man nicht gerade von einem effizienten System sprechen. Eine Berichtspflicht der WKStA gegenüber einer höheren Instanz der Staatsanwaltschaft aber findet Öhlinger sinnvoll: "Mir ist völlig unverständlich, wie eine Staatsanwältin so etwas ohne Rücksprache anordnen konnte."
Fragen an Staatsanwaltschaft und Justiz
Und so rückt immer stärker folgender Fragenkomplex ins Zentrum des allgemeinen Interesses: Was bewegte die führende Staatsanwältin Ursula Schmudermayer dazu, die BVT-Durchsuchungen - telefonisch, was ebenso nicht hätte sein dürfen - beim Journalrichter bewilligen zu lassen? Welchen Druck übten BMI-Generalsekretär Peter Goldgruber und Kickls Kabinettsmitarbeiter Udo Lett auf die Staatsanwältin aus?
In seiner Entscheidung zur Unrechtmäßigkeit der Razzia hielt das Oberlandesgericht Wien auch die kolportierten Aussagen Goldgrubers fest, man müsse "im BMI aufräumen", es sei "korrupt wie noch nie" und eine "kriminelle Organisation".
Und Peter Goldgruber selbst? Der Generalsekretär unter Herbert Kickl weist alle Vorwürfe von sich. Er habe die Pflicht gehabt, die "strafbaren Handlungen" der Justiz zu melden.