Koalition liebäugelt mit Informationsfreiheitsgesetz.
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Wien. Artikel 20, Absatz 3. Hinter dieser Chiffre verbirgt sich das beste, weil verfassungsrechtlich festgeschriebene Argument einer Auskunftsverweigerung: die Amtsverschwiegenheit. Obwohl ein Relikt aus absolutistischen Zeiten, ist das Amtsgeheimnis, an das Beamte hierzulande gebunden sind, bisher weitgehend sakrosankt gewesen. Und so findet sich der Hinweis auf Artikel 20, Absatz 3 der Bundesverfassung in zahlreichen Beantwortungen auf parlamentarische Anfragen: "Wir dürfen leider nichts sagen. . ."
Dass sich dies ändert, hoffen vor allem Oppositionsparteien, hoffen aber auch Journalisten sowie Staats- und Politikwissenschafter. Politologe Hubert Sickinger hat gemeinsam mit Kollegen und Journalisten die Plattform "transparenzgesetz.at" ins Leben gerufen, auf der Unterschriften gesammelt werden. Seit eineinhalb Wochen ist die Seite online, rund 5000 Personen haben sich seither bereits eingetragen.
Die Plattform fordert eine radikale Umkehr der jetzigen Regelung, wonach die Verschwiegenheit nur in Ausnahmen aufgehoben wird, was in der Praxis zudem selten passiert. "Ein Informationsfreiheitsgesetz muss das Amtsgeheimnis schlagen", sagt Sickinger. Nur in wenigen Fällen, etwa bei Staatsgeheimnissen, sollte der Transparenz Einhalt geboten werden.
So ein Informationsfreiheitsgesetz wurde bereits in zahlreichen Ländern verabschiedet, bis nach Österreich ist es noch nicht gekommen. Das könnte sich ändern, wenn jüngsten Aussagen von Politikern aller Fraktionen ein entsprechendes Abstimmungsverhalten im Nationalrat folgen würde.
Ende Februar werden die Grünen einen Antrag auf ein Informationsfreiheitsgesetz ins Parlament bringen. Justizsprecher Albert Steinhauser wünscht sich zudem einen runden Tisch mit Wissenschaftern und Journalisten, da nicht nur ein Gesetz, sondern auch dessen sinnvolle Umsetzung von großer Bedeutung ist.
Geht es nach den Grünen, sollen künftig - ähnlich dem Vorbild des Hamburger Transparenzgesetzes - alle Verträge und Subventionen, die die öffentliche Hand vergibt, einsichtig sein. Das würde freilich bedeuten, dass Unmengen an Akten aufbereitet werden müssten, und zwar so, dass ein Fragender auch die passenden Antworten findet. "Die Informationen müssen niederschwellig abrufbar sein. Aber natürlich besteht die Gefahr, dass ein Zuviel der Information wenig bringt", sagt Steinhauser. Sickinger erhofft sich aber gerade im Hinblick auf Korruption im öffentlichen Bereich einen präventiven Nutzen einer solchen Gesetzgebung.
Auf einmal sind alle dafür
Tatsächlich könnte in dieser Causa nun einiges in Bewegung gerate. "Unterhalb der politischen Oberfläche wird dieses Thema seit einiger Zeit diskutiert. Das große politische Comitment hat bisher aber gefehlt", sagt Sickinger. Am Montag schickte die ÖVP zuerst Staatssekretär Sebastian Kurz vor, um ein Informationsfreiheitsgesetz zu fordern, andere Parteien zogen nach. "Das Umdrehen des Amtsgeheimnisses ist längst überfällig", sagt SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim, und auch BZÖ und FPÖ wünschen sich mehr Transparenz bei öffentlichen Aufträgen.
Ein Quasi-Ende des Amtsgeheimnisses würde das Verhältnis zwischen Behörde und Bürger völlig verändern, glauben die Unterstützer eines Informationsfreiheitsgesetzes. Da und dort könnte eine solche Regelung mit dem Datenschutz in Konflikt geraten. So hatte etwa die Transparenzinitiative der EU im Jahr 2005 dazu geführt, dass Förderungen im Internet personalisiert jedem einzelnen Bauern zugeordnet werden konnten. Diese Form der Transparenz ging dann aber selbst dem Europäischen Gerichtshof zu weit.
Schutz der Privatsphäre
Vizekanzler Michael Spindelegger fordert deshalb ergänzend zum Vorstoß von Kurz: "Voller Schutz für Privat und Eigentum." Doch schwedische Verhältnisse sind in Österreich ohnehin nicht zu erwarten und wohl auch nicht umsetzbar. In Schweden ist sogar für jedermann der Steuerakt des Nachbarn im Internet einsichtig, das wäre in der österreichischen Gesellschaft eine Undenkbarkeit. Doch auch die Abkehr vom Amtsgeheimnis wäre hierzulande fast schon eine Kulturrevolution, schließlich ist es in der Verfassung festgeschrieben.
Wissen: Amtsgeheimnis
Amtsverschwiegenheit: Das Amtsgeheimnis verpflichtet Beamte, "soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen". Zwar ist keine absolute Verschwiegenheitspflicht vorgesehen, die Geheimhaltungsgründe sind aber so allgemein gehalten und weit gefasst, dass sich Behörden im Zweifel oft für die Geheimhaltung entscheiden. Etwa wenn es "im überwiegenden Interesse der Parteien" eines Verwaltungsverfahrens ist oder der Aufrechterhaltung von "Ruhe, Ordnung und Sicherheit" dient.
Auskunftspflicht: Sie verpflichtet Beamte seit 1. Jänner 1988 dazu, "über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereichs Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht". Weil damals nicht geklärt wurde, welcher Grundsatz - Amtsverschwiegenheit oder Auskunftspflicht - im Zweifel Vorrang haben soll, stehen nun beide Bestimmungen nebeneinander:
Auskunftspflichtgesetz: Wie die Auskunftspflicht funktioniert, legen eigene Gesetze auf Bundes- und Landesebene fest. Das Auskunftspflichtgesetz errichtet allerdings Hürden: Demnach darf die Auskunft verweigert werden, wenn die gewünschte Information dem Amtsgeheimnis unterliegt, die Verwaltung beeinträchtigen würde oder die Informationen "mutwillig verlangt werden".