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Verflixtes Patt in Prag

Von Alexandra Klausmann

Analysen

Merkwürdiges Wahlergebnis könnte zu einer schwachen Regierung führen. | Gerne rühmen sich die Tschechen ihrer "goldenen Händchen", ihres Talents zu basteln und zu improvisieren. Eine Prise dieser Fähigkeiten ist jetzt gefragt, wenn es darum geht, das Wahlergebnis in eine regierungsfähige Politik zu übertragen.


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Joker und Schwarzer Peter zugleich liegen beim Chef der Bürgerdemokraten ODS, Mirek Topolanek. Der darf als Wahlsieger verfassungsgemäß ein neues Kabinett bilden, Präsident Vaclav Klaus hat ihn damit beauftragt. Topolanek wird sich jedoch schwer tun, eine entscheidungsfähige Regierung zu bilden.

Eine blau-schwarz-grüne Koalition aus ODS, Christdemokraten und Grünen würde im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus nur über 100 Stimmen und somit keine Mehrheit verfügen. Die Optimisten unter den Bürgerdemokraten verweisen auf die Erfahrung im Nachbarland Slowakei. Dort habe die Regierung Dzurinda schließlich auch spektakuläre Reformen durchgesetzt, obwohl sie in der Minderheit ist, meint der "Rising Star" der ODS, der Prager Bürgermeister und Unterhändler bei den Regierungsverhandlungen, Pavel Bem.

Jedoch haben die Sozialdemokraten unter der Führung eines durch Wahlkampf und -niederlage verbitterten Ji ø i Paroubek angekündigt, sie werden nie und nimmer eine ODS-geführte Regierung tolerieren. Stattdessen wollen sie eine unpolitische Beamtenregierung durchsetzen, in der Spezialisten verwalten und nicht Politiker regieren würden. Ein Versuch, die politische Krise abzuwenden oder die ODS vom Regieren fern zu halten?

Weit entfernt scheinen die beiden Großparteien jedenfalls von einer gemeinsamen Koalition. Die ODS hat zwar verlauten lassen, sie sei zu Gesprächen mit den Verlierern bereit. Doch solange deren Vorsitzender Ji ø i Paroubek heißt, wird es nicht soweit kommen und ob die Sozialdemokraten ihren Vorsitzenden einer großen Koalition opfern werden, bleibt fraglich.

Noch stehen die Zeichen nach wie vor eher auf blau-schwarz-grün. Die ODS spekuliert nun, in diesem Fall wichtige Reformen über die zweite Kammer, den Senat durchzusetzen zu können. Dort hat sie eine klare Mehrheit. Trotzdem wäre eine solche Regierung schwach. Auch die zahlreichen Streitpunkte zwischen ODS und Grünen, wie Europapolitik, Kernkraft oder Steuerreform, könnten dem politischen Alltag nicht standhalten, meinen politische Beobachter.

Eigentlich überrascht es angesichts des politischen Patts niemanden, wenn unlautere Mittel mit ins Spiel kommen. Das heißt, dass beide Seiten versuchen werden, Überläufer zu gewinnen. Bei den Grünen nimmt man "aus Sicherheitsgründen" bei Anrufen von Sozialdemokraten das Telefon erst gar nicht ab. Zugehört hat hingegen der sozialdemokratische Abgeordnete Pavel Ploc. Ihm wurden schon 5 Millionen Kronen angeboten, wenn er zu den Grünen überlaufen und eine ODS-geführte Regierung unterstützen würde.