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Verfluchtes Dilemma

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Die Mörderbande des "Islamischen Staats" (IS) ist keine Truppe religiös entrückter Dschihadisten. Bevor sie den US-Journalisten James Foley auf bestialische Weise ermordete und die Tat als Konsequenz der US-Luftangriffe darstellten, versuchten die Terroristen, für die Freilassung Foleys 100 Millionen Dollar zu erpressen.

Geld gegen Leben: Auch der IS bedient sich also einer weltlichen kriminellen Rationalität gewissenloser Verbrecher - wie vor ihm schon Al-Kaida und andere radikalen Islamisten. Laut Berechnungen der britischen "Times" haben diese Gruppen in den letzten fünf Jahren rund 125 Millionen US-Dollar an Lösegeldern für entführte Europäer eingenommen, um ihren Kampf gegen den Westen und seine Werte zu finanzieren.

Beim Umgang mit diesen Entführungen zieht sich allerdings ein Bruch durch die westliche Wertegemeinschaft: Anders als die allermeisten europäischen Staaten (darunter mit ziemlicher Sicherheit auch Österreich) verweigern die Regierungen in Washington und London grundsätzlich die Zahlung von Lösegeldern, um gefangene Staatsbürger freizukaufen. Die Logik für diese Härte liegt auf der Hand: Wer Entführer bezahlt, und sei es auch in aller Heimlichkeit, unterstützt deren Geschäftsmodell.

Die ungeheure Grausamkeit der Dschihadisten stellt den Westen also auch vor eine moralische Herausforderung. Kühle, abstrakte Vernunft gebietet, dass sich ein Staat nicht erpressen lassen darf, weil er ansonsten nur zahllose Nachahmungstäter motiviert. Demgegenüber steht die Tragödie des konkreten Einzelschicksals: das Leben eines Menschen, das - und dies ist keineswegs nur eine Floskel - mit Geld nicht aufzuwiegen ist.

Wer solche Entscheidungen treffen muss, trägt ungeheure Last. Kein Wunder, dass darüber keine Debatte stattfindet - das Schicksal einer Geisel lässt sich medial nicht verhandeln. Aber die unterschiedliche Strategie im Umgang mit Lösegeldforderungen - Kontinentaleuropäer zahlen, wenngleich stillschweigend, US-Amerikaner und Briten zahlen nicht - schwächt den Westen. Eine kohärente Strategie für den Umgang mit den Terroristen vom IS lässt sich so nicht verfolgen. Die Dschihadisten wissen dies und profitieren davon, zumal - wie der Mord an Foley zeigt - immer mehr von ihnen aus dem Westen selbst stammen.