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Die USA lassen ihre Nahost-Verbündeten immer wieder im Stich. Derzeit trifft es die Kurdenmiliz YPG, die Hauptverbündeter gegen den IS ist.
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Wenn die USA im Nahen Osten Krieg führen, werben sie üblicherweise lokale Streitkräfte als Verbündete an und werfen sie dann über Bord, sobald es schwierig wird oder die regionale Politik dazwischenkommt. Dieses Muster des Verführens und Verlassens ist eines der unliebsamsten Charakteristika der Vereinigten Staaten. Es ist einer der Gründe, warum den USA im Nahen Osten misstraut wird.
Wir stehen nicht zu den Menschen, die für uns Risiken eingehen - im Irak, in Ägypten, im Libanon und anderswo. Und nun wiederholt sich die Geschichte in Syrien: Die Kurdenmiliz YPG, die der beste Verbündete der USA gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist, wird seit einiger Zeit vom türkischen Militär angegriffen.
Einige YPG-Kämpfer habe ich im Mai getroffen, in einem geheimen Trainingscamp der US-Sondereinheitenstreitkräfte im Norden Syriens. US-Offiziere sprechen von ihnen mit großem Respekt. Diese Männer und Frauen der YPG verdrängten den IS aus dessen Bastionen.
Sich mit den USA zu verbünden, kann im Nahen Osten gefährlich werden. Die Türkei hat 18 Ziele in YPG-kontrollierten Gebieten im Norden Syriens angegriffen. "Wenn das nicht aufhört", warnt ein Pentagon-Mitarbeiter, "könnte das alle Pläne für Raqqa zunichtemachen".
Die Türken wollen verhindern, dass die YPG, wie von den USA vorgesehen, bei der Befreiung der IS-Hauptstadt Raqqa eine führende Rolle zukommt. Wie kurdische Quellen mir mitteilten, will die YPG sich an Russland wenden, da die USA nicht auf ihre Anfragen reagieren.
Die Allianz der USA mit der YPG geht auf die Befreiung der Stadt Kobane vor zwei Jahren zurück. Die Unterstützung für die Kurden ist durch Lahur Talabani, den Geheimdienstchef der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) zustandegekommen. Der Erfolg der YPG gegen den IS habe Kurden in Syrien das Leben gerettet und den Druck auf die kurdischen Streitkräfte im Irak verringert, die gerade Mossul befreien, sagte mir Talabani kürzlich in Washington. Die USA haben alles gegen die türkisch-kurdische Feindseligkeit versucht. Erfolglos.
Die türkischen Ambitionen in der Region haben zugenommen. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat seine Macht nach dem gescheiterten Putsch gefestigt. Seine Streitkräfte bedrängen die YPG, befestigen einen Grenzstreifen in Syrien und rücken gleichzeitig im Irak vor, um auch bei der Befreiung Mossuls eine Rolle zu spielen, trotz der Warnungen des Irak und der USA, das nicht zu tun. Erdogan bezeichnet Aleppo und Mossul als zentrale Städte des Osmanischen Reichs. "Wie mit der Rolle der Türkei an beiden Kriegsschauplätzen umzugehen ist, ist eine zentrale und offene Frage", warnt ein hochrangiger US-Regierungsbeamter.
Die Kurden hätten es eigentlich besser wissen müssen. Die kurdische Geschichte ist eine Geschichte des Betrogenwerdens. Die Menschen im Nahen Osten misstrauen mittlerweile offen den Versprechen der USA. Ein irakischer Christenführer lehnte vor kurzem ein neuerliches Hilfsangebot der USA nach dem Sturz des IS ab: "Ihr werdet uns im Stich lassen", sagte der Priester, "das tut ihr immer".
Übersetzung: Hilde Weiss