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Seinen 70. Geburtstag musste Helmut Kohl im Jahr 2000 ziemlich einsam feiern. Die von ihm ausgelöste Parteispendenaffäre hatte die CDU in eine tiefe Krise gestürzt, und die Herde hatte den "alten Kampfelefanten", wie er sich selbst bezeichnete, verlassen. Am Sonntag wird der "Kanzler der deutschen Einheit" 75 Jahre alt. Und die Herde ist zu ihrem Leittier zurückgekehrt, stolz und dankbar, den langjährigen Kanzler und Staatsmann von Weltruf wieder einen der ihren nennen zu dürfen.
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Die Spendenaffäre ist nicht vergessen, aber vergeben. Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat für Mitte April zu einem Symposium in Berlin geladen. Dort werden Repräsentanten aus dem In- und Ausland die Verdienste des Altkanzlers würdigen und besonders bedeutsame Stationen seines Lebens aus ihrer Sicht beschreiben.
CDU-Chefin Angela Merkel, die als Generalsekretärin Ende 1999 in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" die Abnabelung der Partei von Kohl als Führungsperson einleitete, besiegelt die Versöhnung in der Geburtstags-Ausgabe der KAS-Monatszeitschrift "Die Politische Meinung". Auf rund 640 Zeilen würdigt sie Kohls Verdienste um die deutsche Vereinigung und das europäische Einigungswerk. Auf die Spendenaffäre verwendet Merkel gerade mal neun Zeilen. Es sei eine bittere Zeit gewesen. "Aber wir haben sie überwunden und unsere Lehren daraus gezogen. Die historische Leistung des Politikers Helmut Kohl kann sie ohnehin nicht angreifen."
Auch Michail Gorbatschow unter den Gratulanten
Zu den Gratulanten in der Festschrift gehört auch der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow, den Kohl einmal in einem seiner weniger glücklichen Vergleiche in einem Atemzug mit NS-Propagandaminister Josef Goebbels genannt hatte. Gorbatschow geht darauf mit keinem Wort ein, schildert vielmehr, wie tief beeindruckt er vom Kanzler bei der ersten Begegnung Ende 1988 in Moskau war: "Die Aufrichtigkeit und Offenheit des Kanzlers imponierten mir ... Persönlich spürte ich, dass von Vertrauen und Zusammenarbeit geprägte Beziehungen mit diesem Mann möglich sind."
Nach dem Ende der Spendenaffäre und ihrer juristischen Aufarbeitung - ein Ermittlungsverfahren gegen Kohl wurde gegen ein Bußgeld von 300.000 D-Mark (153.388 Euro) eingestellt - schien es um den Altkanzler ruhig geworden zu sein. Aber der Schein trog. Kohl ist ein unverändert gern gesehener und regelmäßig mit viel Beifall bedachter Gast auf CDU-Veranstaltungen überall im Land.
Auch auf internationalem Parkett ist Kohl weiter aktiv. So wurde er erst Anfang März in Moskau vom russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einer 90-minütigen Unterredung empfangen.
Kohl, am 3. April 1930 in Ludwigshafen geboren, trat 1946 der CDU bei, und seine Parteikarriere verlief linear bis zum Bundesvorsitz, in den er am 12. Juni 1973 gewählt wurde. 1969 wurde er Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, und 1982 wurde er beim Misstrauensvotum gegen SPD-Kanzler Helmut Schmidt zum Regierungschef in Bonn gewählt. Es blieb es 16 Jahre lang.
In den 27 Jahren, in denen er CDU-Vorsitzender war, hatte er ein innerparteiliches Patriarchat installiert, "System Kohl" genannt. Zu dem gehörten auch die schwarzen Spendenkassen, aus denen er Gelder nach Gutdünken an den Büchern der Partei vorbei und gegen die Vorschriften des Parteiengesetzes an CDU-Gliederungen schleuste.