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Als Yusuf Demir am Wochenende in Bilbao seinen ersten großen Auftritt im Barca-Dress feierte und dafür gute Zensuren erhielt, dachte vielleicht das eine oder andere ältere Semester an das nicht minder sensationelle Debüt von Hans Krankl bei Spaniens Serienmeister. Das war 1978. Weder davor noch nach Krankls Abgang 1981 hatte jemals ein österreichischer Kicker die rot- blauen Farben des Topklubs aus Katalonien getragen. So lautete zumindest die offizielle Version. Die Spanier wissen es offenbar besser. Wie aus einem Beitrag auf der Barca-Website hervorgeht, hieß der erste heimische Kicker beim Klub nicht Krankl, sondern Ernst Löwinger: ein Wiener Jude und Ex-Hakoah-Spieler, der von den Young Boys Bern kommend nach Barcelona geholt worden war. Das war 1934 und ist knapp 90 Jahre her, aber doch kein Grund, den guten Mann einfach so zu vergessen - oder doch?
Tatsächlich ist die Sache im Fall Löwinger etwas komplizierter, zumal über den 1909 geborenen Fußballer - es existiert nicht einmal ein Wikipedia-Eintrag - kaum etwas bekannt ist, außer, dass er auch für den WAC, die Red Stars Paris und die Sliema Wanderes in Malta gespielt hat. Hier verliert sich 1936 die Spur, und niemand weiß, wohin es den Wiener verschlagen hat. Sein Name taucht weder in den Listen der Holocaust-Opfer noch der Emigranten nach Amerika auf. Was von ihm bleibt, ist dennoch eine beachtliche Kickerkarriere, die es verdienen würde, breiter gewürdigt zu werden. Nicht bloß auf der Website des FC Barcelona.
Buchhinweis:
Matthias Marschik, Bewegte Körper. Historische Populärkulturen des Sports in Österreich. Wien 2020 (=Österreichische Kulturforschung).