Österreich hat bei Olympia in Sotschi so viele Silbermedaillen wie selten gehamstert. Allein, erinnern wird man sich an ihre Träger leider nicht.
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Der bayrische Kabarettist Michael Mittermaier hat einmal über die Bedeutung des zweiten Platzes - sei es im Sport, in der Politik oder in der Wissenschaft - folgende These aufgestellt: Wer als Erster ins Ziel kommt, bleibt in Erinnerung, der Zweite hingegen wird vergessen. Das ist nicht unrichtig. "Oder wissen Sie noch, wer der zweite Mann am Mond war?", pflegte er bei seinen Auftritten zum Programm "Zapped" das Publikum zu fragen. Betretenes Schweigen. "Das war Bass Aldrin", rief er dann und legte nach: "Und wissen Sie, was Bass Aldrin gesagt hat, als er seinen Fuß auf den Mond setzte?" Antwort: Man weiß es nicht. Allein Neil Armstrongs Satz vom "großen Schritt für die Menschheit" ging in die Geschichtsbücher ein.
Im Sport und hier vor allem bei Großereignissen wie Olympischen Spielen ist es da nicht viel anders. Denn während Goldmedaillen sofort in das kollektive Gedächtnis der Nation eingemeißelt sind, geraten Zweitplatzierte schnell in den Hintergrund. Oder wissen sie noch, wer bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver 2010 im Biathlon-Verfolgungsrennen Silber geholt hat? Im Parallel-Riesenslalom der Herren-Snowboarder? Oder im Damen-Slalom?
Wer heute noch visualisieren kann, wie Christoph Sumann, Benjamin Karl und Marlies Schild bei der Siegerehrung am Medal Plaza in Whistler ihre Silberlinge in die Höhe hielten, muss schon ein gutes Gedächtnis haben. Fallen aber die Namen Andreas und Wolfgang Linger, Andrea Fischbacher oder jene des österreichischen Springerteams (mit Wolfgang Loitzl, Andreas Kofler, Thomas Morgenstern und Gregor Schlierenzauer), klingelt es selbst bei Olympia-Verweigerern sofort. Gold ist eben Gold.
Drohen nun die Olympischen Winterspiele in Sotschi angesichts der Masse an zweiten Plätzen - sechs Stück - in Vergessenheit zu geraten? Nein. Denn dafür leuchten die Goldmedaillen von Matthias Mayer und Anna Fenninger umso heller. Und wenn alles gut geht, kommt vielleicht im Slalombewerb, wo Marcel Hirscher als Favorit gehandelt wird, noch eine dritte Goldene hinzu. Das würde schon genügen - allein weil drei Namen leichter zu behalten sind als jene der österreichischen Athleten und Athletinnen, die in Turin 2006 Gold abgeräumt haben. Von ihren Wortspenden zum Olympiatitel gar nicht zu reden. Das ist die andere Seite der Medaille.
Allein den Silbergewinnern nutzt all das nichts. Dabei sind sie, was den materiellen Wert ihrer Medaillen betrifft, näher an Gold dran, als sie vielleicht denken. Denn wer weiß schon, dass eine Goldmedaille zu 92,5 Prozent aus Silber hergestellt und erst mit sechs Gramm reinen Goldes veredelt wird? Es wäre zu schön, würde man den besonderen Wert eines zweiten Platzes auch in der öffentlichen Wahrnehmung mehr würdigen. Und sei es nur die Mondlandung.