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Vergessene Geste in der Pogromfolklore

Von Solmaz Khorsand

Politik

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Viel wird dieser Tage an das Novemberpogrom vor 75 Jahren gedacht. Zeitzeugen werden auf die Bühne geholt, Gedenktafeln entstaubt und die Worte "Niemals vergessen" in die Kamera gesprochen. Es ist der Zeitpunkt, um ein Zeichen zu setzen. Für jene Menschen, denen diese Veranstaltungen gewidmet sind: den Überlebenden des Holocausts. Seit Jahren kämpfen dutzende Männer und Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs im Exil zur Welt gekommen sind, um ihre Pensionsansprüche in Österreich. Vergeblich. Das Sozialministerium argumentiert, dass sie nicht unmittelbar verfolgt wurden. Der Verwaltungsgerichtshof gibt der Begründung recht.

Trotzdem. Dieses Zugeständnis wäre eine wichtige Geste im "Niemals vergessen"-Tamtam. Nein. Es wäre die Geste. Warum auch nicht? Sind die Pensionen dieser Leute eine solche Belastung für das heimische Pensionssystem? Ihre Ansprüche kosten den Staat knapp zwei Millionen Euro im Jahr. Fürchtet man eine Flut von Antragstellern? Auf 450 Personen werden sie geschätzt. Oder ist es vielmehr die Angst vor den eigenen Wählern? Dass sie es nicht verstehen werden oder verstehen wollen, wenn der Staat ein paar Ausländern die Pensionen zahlt, weil ihre Vorfahren aus Österreich vertrieben wurden?

Dabei würde so ein Zugeständnis gut in die derzeitige Pogromfolklore passen. Man lässt ein paar Überlebende einfliegen, überreicht ihnen symbolisch einen Scheck und darf noch einmal "Niemals vergessen" stammeln. Jeder Politiker könnte sich dieser Geste rühmen. Nur, dass die Überlebenden von dieser Geste noch etwas hätten.