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Ein bedeutender Teil der Beschwerden, die nun auftauchen, wird chronisch bleiben.
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Es war von Anfang an klar, dass Kinder und Jugendliche massiv unter der Pandemie leiden würden. Studien zeigen nun das ganze Ausmaß: plus 150 Prozent depressive Symptome, ein Anstieg um 41 Prozent bei der Menge der verabreichten Antidepressiva, enorme Lernrückstände vor allem bei schwächeren Schülern. Lockdowns und Homeschooling führen zwangsweise zu höheren Bildschirmzeiten, was dafür anfällige Menschen in süchtiges Verhalten abdriften lässt (Computerspiel-Sucht: plus 42 Prozent, Internet-Sucht: plus 35 Prozent), dazu besorgniserregende Zunahmen von Hyperaktivität, körperlichen und psychosomatischen Beschwerden, nicht zuletzt durch Bewegungsmangel.
Aus vergangenen Studien weiß man, dass ein bedeutender Teil der Beschwerden chronisch bleiben wird. Besonders Kindern setzt es zu, wenn sie durch äußere Umstände in ihrer normalen Entwicklung gestört werden. Nicht zuletzt belastet die Situation um Corona auch die Eltern. Zwischen Kurzarbeit und Umstellung auf Homeoffice fehlen ihnen die Verschnaufpausen in der Kinderbetreuung, die Kindergarten, Schule und Sportvereine und oft genug auch der Gang ins Büro normalerweise verschaffen.
Psychische Erkrankungen haben ein Problem in den Medien: Depressionen, Angststörungen und Suchterkrankungen lassen sich in den Nachrichten nicht so dramatisch präsentieren wie Bilder von überfüllten Intensivstationen. Das Leid spielt sich im Verborgenen oder hinter verschlossenen Türen ab. Während Österreich wie gebannt auf Belegungszahlen von Intensivbetten blickt, bleibt die psychische und psychiatrische Versorgung der jüngeren Bevölkerung weiter chronisch vernachlässigt. Dabei werden hier Weichen für ein ganzes Leben gestellt: Frühe Interventionen verhindern nicht nur einen möglichen lebenslangen Leidensweg, sondern auch Lebensläufe mit verpassten beruflichen Chancen und psychiatrischen Aufenthalten.
Es ist zudem eine moralische Verpflichtung, die jüngeren Bevölkerungsgruppen nicht zu vernachlässigen. Schließlich opfern sie Jahre ihres sozialen Lebens, um vor allem die älteren Teile der Gesellschaft vor den gesundheitlichen Folgen der Pandemie zu schützen. Ein naheliegender Weg, die psychische Versorgung zu verbessern, ist, die Krankenkasse an den Kosten einer klinisch-psychologischen Therapie zu beteiligen. Allein in Wien gibt es 3.205 hervorragend ausgebildete Klinische Psychologen, die von den allermeisten Betroffenen nicht in Anspruch genommen werden können, weil für sie eine privat finanzierte Therapie schlicht nicht leistbar ist. So lässt man als Gesellschaft die Betroffenen erst im Stich, muss aber später wirtschaftliche und soziale Folgekosten tragen.
Die Entscheidung für oder gegen einen Lockdown, für oder gegen die Schließung von Kindergärten und Schulen mag eine alternativlose sein, die sich aus der jeweiligen pandemischen Situation ergibt. Die Verbesserung der psychologischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Österreich ist hingegen eine rein politische.