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Man muss leider - die Politik hat ihren Anspruch auf Unschuldsvermutung verwirkt - annehmen, dass Demokraten und Republikaner eine Pleite der Verfeindeten Staaten von Amerika (© "Süddeutsche Zeitung") in Kauf genommen hätten, wären sie je für sich zum Schluss gekommen, eine solche historische Premiere hätte ihre Chancen auf einen Sieg bei den Wahlen 2012 verbessert.
Nur weil am Ende beide Parteien befürchten mussten, von den Wählern abgestraft zu werden, war der notwendige Druck für eine Einigung in allerletzter Minute gegeben. Sofern der rechte Flügel der Republikaner und der linke Flügel der Demokraten nicht doch noch mit vereinten Kräften den Beschluss im Kongress zu Fall bringen.
Eine aktuelle Momentaufnahme teilt messerscharf zwischen Siegern und Verlierern in diesem Schaukampf vor den Augen der Weltöffentlichkeit: Für seine Anhänger steht US-Präsident Barack Obama wie ein begossener Pudel da, dem sein zentrales Wahlversprechen nach Steuererhöhungen für die Reichen wie Sand zwischen den Fingern verrinnt. Daher hier auch die kaum verhohlene Wut, die nackte Enttäuschung, nun, da die Details des Kompromisses nach und nach bekannt werden.
Die Niederlage des Präsidenten entspricht dem Erfolg der Tea-Party-Bewegung, die Big Government im Allgemeinen und Obama im Besonderen den Krieg angesagt hat. Umso skurriler, wenn diese den Kompromiss jetzt mindestens so vehement ablehnt wie der linke Flügel der Demokraten. Zu wissen, wann man gewonnen hat, ist nicht der geringste Ausweis von politischer Intelligenz.
Es ist diese Kreuzzug-Mentalität der Tea-Party-Vertreter, die Obama Hoffnung für den Wahlkampf geben kann: Eine neuerliche Anhebung der Schuldenobergrenze vor der Wahl ist vom Tisch und der US-Präsident hat, wenngleich sehr zum Leidwesen seiner Anhänger, bewiesen, dass er zu Kompromissen bereit ist. Jetzt muss er nur noch auf die Vergesslichkeit der Wähler und die eifernde Kompromisslosigkeit der Tea Party hoffen.
Demokratiepolitisch befremdlich mutet allerdings an, dass die USA sich in ihrer politischen Not dem Geschick eines "Super-Kongresses" verschreiben: 12 Abgeordnete - streng paritätisch zusammengesetzt - statt 535 Abgeordneten sollen eines der einschneidendsten Sparpakete in der jüngeren US-Geschichte schnüren. Man sollte vermuten, das gehe alle gewählten Volksvertreter etwas an.