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Vergleich: Beitrittsgarantie für Kroatien?

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Kroatien und Slowenien haben ein Abkommen zur Beilegung ihres Grenzkonflikts unterzeichnet und damit die Beitrittsverhandlungen Kroatiens deblockiert.


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Seit dem Tag der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens und Sloweniens als Nachfolgestaaten der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien am 25. Juni 1991 - und damit bereits seit 18 Jahren - dauert der bilaterale Grenzkonflikt im Mündungsdelta des Grenzflusses Dragonja, entlang des Odorik-Kanals und in der Bucht von Piran an. Der Fluss Dragonja mündet südlich der slowenischen Stadt Portoroz in die Adria und mäandriert dabei in einem sehr sumpfigen Gebiet, in dem der Grenzverlauf nur schwer zu demarkieren ist. Hinsichtlich der Grenzziehung in der Bucht von Piran beruft sich Kroatien auf Artikel 15 der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (1982), der die Mittellinie als Grenze vorsieht. Slowenien hingegen stellt auf das Konzept einer "historischen Bucht" ab, in der der Zugang zum offenen Meer für Slowenien gewohnheitsrechtlich gesichert sei.

Der Grenzkonflikt wurde zunächst durch ein bilaterales Übereinkommen zwischen dem slowenischen Ministerpräsidenten Janez Drnovek und seinem kroatischen Kollegen Ivica Racan aus dem Jahr 2001 beizulegen versucht. Diese Übereinkunft wurde in der Folge aber vom kroatischen Parlament abgelehnt. Nach einer monatelangen Blockade der EU-Beitrittsverhandlungen Kroatiens durch Slowenien im Jahr 2009 einigten sich die Regierungschefs Borut Pahor (Slowenien) und Jadranka Kosor (Kroatien) im September dieses Jahres auf die Einsetzung eines Schiedsgerichts zur Lösung ihres Grenzstreits.

Unter der Schirmherrschaft des schwedischen EU-Ratspräsidenten Fredrik Reinfeldt wurde am 4. November in Stockholm ein aus elf Artikeln bestehendes bilaterales Schiedsabkommen unterzeichnet, das ein internationales Schiedsgericht zur Lösung des Konflikts mit Sitz in Brüssel einsetzt. Das Abkommen soll von beiden Seiten raschestmöglich ratifiziert werden, wobei allerdings Slowenien vorab das Verfassungsgericht über die Verfassungskonformität des Vertrages entscheiden lassen will und Kroatien Probleme bei der parlamentarischen Genehmigung desselben erwartet.

Selbst wenn das Inkrafttreten des Schiedsabkommens früher erfolgen sollte, kann das Schiedsgerichtsverfahren aber nicht vor der Unterzeichnung des EU-Beitrittsvertrages Kroatiens in Gang gesetzt werden. Mit dieser Bestimmung sollen das Beitrittsverfahren und der Grenzstreit entkoppelt werden.

Was die Zusammensetzung des fünfköpfigen Schiedsgerichts betrifft, so ernennen die beiden Streitparteien Kroatien und Slowenien zunächst übereinstimmend den Präsidenten und zwei weitere Mitglieder aus einer vom Präsidenten der Europäischen Kommission und dem für Erweiterung zuständigen Kommissionsmitglied erstellten Expertenliste. Falls sie sich nicht einigen können, ernennt der Präsident des Internationalen Gerichtshofs diese drei Schiedsrichter.

Danach bestellt jede Streitpartei innerhalb von 15 Tagen je einen weiteren Schiedsrichter. Sollte dies nicht zeitgerecht der Fall sein, so ernennt der Präsident des Schiedsgerichts den jeweiligen Schiedsrichter.

Das Schiedsgericht hat sowohl die See- und Landgrenze zwischen Kroatien und Slowenien, als auch die Verbindung ("junction") Sloweniens mit der Hohen See sowie die Nutzungsregime der betroffenen Seegebiete festzulegen. Bei der Bestimmung des Grenzverlaufs ist Völkerrecht, bei den anderen Fragen sind Prinzipien der Billigkeit und der guten Nachbarschaft anzuwenden, um ein faires und gerechtes Ergebnis zu erzielen. Der mehrstimmig ergehende Schiedsspruch ist für beide Staaten bindend und muss innerhalb von sechs Monaten umgesetzt werden.