Zum Hauptinhalt springen

Vergrabene Kunstschätze

Von Bernhard Widder

Reflexionen

Ein Rundgang durch das Museum Liaunig und die darin befindliche aktuelle Ausstellung.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In den 1970er Jahren begann ein internationaler "Museumsboom", der viele Neubauten für Museen verschiedener Richtungen hervorbrachte. In Österreich wurde diese Entwicklung etwas später aufgegriffen, und so lässt sich der Zeitraum, während dessen eine größere Zahl neuer Museen gegründet und errichtet wurde, etwa mit den letzten zwanzig Jahren umreißen. Diese Bauten entstanden vor allem in den größeren Städten, aber es gab auch einige Neugründungen in abgelegenen Regionen.

Ein besonderer Neubau eines privaten Museums für moderne Kunst ist das "Museum Liaunig" bei Neuhaus/Suha im südöstlichen Kärnten, auf einem Hügel oberhalb der Drau gelegen, in der Nähe der Gemeinde Lavamünd. Dieses Museum wurde im Jahr 2008 eröffnet.

Ein Vergleich mit drei anderen Museums-Neubauten, die in Linz seit 2003 fertiggestellt wurden, bietet sich an, weil einige Parallelen zum Museum Liaunig bestehen. Zum einen betrifft das den Zeitpunkt der Eröffnung der zwei jüngsten Linzer Museen, die als Umbauten und Erweiterungen im Jahr der "europäischen Kulturhauptstadt" 2009 eröffnet wurden: Das Ars Electronica Centrum ("AEC") ist der Darstellung neuester digitaler Technologien und Medien gewidmet. Es wurde 1996 gegenüber dem Linzer Rathaus in Urfahr, neben der Nibelungenbrücke als Neubau gegründet, nach Plänen des Wiener Architekten Treusch auf 6500 Quadratmeter erweitert und im Jänner 2009 wieder geöffnet.

Museum als "Land Art"

Das Linzer Schlossmuseum erhielt einen neuen Südflügel, der seit dem Juli 2009 die technik- und naturwissenschaftlichen Sammlungen des Schlosses enthält. Der Trakt aus Stahl und Glas fußt auf dem Entwurf der Grazer Architekten Emmerer und Luser.

Diese beiden Museen verbindet mit dem Museum Liaunig neben der Entstehungszeit eine formale, architektonische Haltung, die bewusst auf "Moderne" setzt und sich der historischen Umgebung in scharfem Kontrast annähert.

Beim Museum Liaunig ist die natürliche Umgebung einer Hügelkuppe bestimmend. Mehr als die Hälfte der Gesamtfläche des Museums ist in diese Hügelkuppe eingegraben, fast in der Art eines Bergwerks oder eines kultischen Ortes. Als Kontrast dazu ragt die Betonform an beiden Seiten aus dem abfallenden Hang hervor, im Norden 70 Meter über der Kurve der breiten Drau, im Süden fast 30 Meter weit auskragend. Das ist ein deutlicher, fast skulpturaler Gedanke, der auch mit dem Thema "Land Art" verwandt ist.

Der sichtbare Teil dieses Museums ist die eigentliche Ausstellungshalle. Sie hat die Form eines langgestreckten, rechteckigen Körpers von 160 Metern Länge, der auf beiden Seiten der Kuppe über den Abhang ragt. Diese Konstruktion aus Stahlbeton bildet einen u-förmigen Querschnitt (Breite: 13 Meter, Höhe 7 Meter), der mit einer gewölbten Hülle aus Stahlblech umgeben ist. Im Dachbereich sind Oberlichtbänder eingefügt, welche die gesamte Länge mit natürlicher Belichtung versorgen.

Wie kam dieses ungewöhnliche Bauwerk zustande? Der Kärntner Industrielle Herbert Liaunig hatte vor Jahren in dem kleinen Ort Neuhaus ein altes Schloss gemeinsam mit dem 2012 verstorbenen Architekten Günther Domenig renoviert. Als engagierter Sammler, der verschiedene Themen und Interessen verfolgte, beschäftigte sich Liaunig intensiv mit dem Aufbau einer umfangreichen Sammlung österreichischer Kunst von etwa 1950 bis in die Gegenwart. Seine Sammlung umfasst heute rund 3000 Werke aus den bildnerischen Bereichen von Grafik, Malerei, Skulptur, Objektkunst, sowie Entwurfszeichnungen und Modelle von architektonischen Konzepten und Bauten.

Schräge Flächen

Im Jahr 2006 organisierte der Sammler und spätere Bauherr einen Wettbewerb mit einigen geladenen Architekten. Die Jury entschied sich für den Entwurf der Wiener Architektengruppe "querkraft", die den Auftrag zur Planung erhielt. Nach zweijähriger Bauzeit wurde das "Museum Liaunig" im Sommer 2008 mit der ersten Ausstellung, einer Auswahl aus der Kunstsammlung, eröffnet.

Schräge Flächen und Wände aus Sichtbeton, Glasflächen und stählerne Elemente zeigen schon beim Eingang die Verwendung weniger Materialien, die programmatisch und nüchtern auf den Charakter einer industriellen Anlage anspielen, dabei aber mit der eingegrabenen Situation des Zugangs und Foyers auch Pathos ausdrücken. Herbert Liaunig hatte in der Ausschreibung zum Wettbewerb vermerkt, dass die eingereichten Entwürfe eine Beziehung zu "industriellen Bauten" ausdrücken sollten.

Vom Foyer aus führt eine Rampe von 50 Metern Länge zum querliegenden Ausstellungsbereich, der sich vom Kreuzungsbereich nach Norden und Süden jeweils 80 Meter erstreckt. Rechts von dieser Rampe befindet sich das Depot der Kunstsammlung hinter großflächiger Verglasung. Eine ungewöhnliche Lösung, den Eingangsweg entlang eines "Schaudepots" zu führen, die dem Besucher allerdings eine Vorstellung vermittelt, wie eine Kunstsammlung verwahrt wird.

Im Hauptraum, der 2000 Quadratmeter umfasst, wird derzeit die Ausstellung "Von der Fläche zum Raum" in verschiedenen Abschnitten mit Zwischenwänden präsentiert. Dazu gibt es einen weiteren Nebenraum, der für Grafik gewidmet ist. Dort hat Arno Ritter für die jetzige Schau eine Reihe von Werken von Architekten ausgestellt, darunter befinden sich auch Entwurfszeichnungen für das Jüdische Museum in Berlin von Daniel Libeskind.

An der östlichen Seite befindet sich ein weiterer, schmaler Gang, der abwärts führt und in einen Raum mündet, der in den Hügel gegraben ist. Auf 350 Quadratmetern ist hier eine ganz andere Sammlung in Vitrinen mit dunkelblauem Hintergrund ausgestellt: unter dem Namen "Gold der Akan" ist eine umfangreiche Sammlung westafrikanischer Objekte aus Gold zu sehen, vorrangig aus dem 19./20. Jahrhundert. Die Gestaltung dieses Raums stammt von Rolf Hartmann (Berlin).

Seit seiner Eröffnung hat das Museum Liaunig einige Preise erhalten, wurde in internationalen Medien beschrieben - und ist bereits heuer unter Denkmalschutz gestellt worden. Im nächsten Jahr soll ein weiterer Ausbau erfolgen, der Räume für Veranstaltungen und Depots von zusätzlichen 2500 Quadratmetern vorsieht. Nach dem Museum Essl in Klosterneuburg ist das Museum Liaunig das zweite österreichische Museum, das als private Unternehmung gegründet wurde.

Erodierte Landschaft

Die Gestaltung der temporären Ausstellung "Von der Fläche zum Raum", die bis Ende Oktober 2013 zu sehen ist, übernahm der Sohn des Sammlers, der Architekt Peter Liaunig. Die Auswahl der nun präsentierten Werke stammt vom früheren Direktor des Museum Lentos, Peter Baum, der auch das Buch zur Ausstellung verfasst hat. Die Auswahl an bildnerischen und skulpturalen Werken, die Baum nach dem Prinzip von Kontrast und Ergänzung erstellt hat, zeigt ein besonderes, schwierig zu lösendes Thema, nämlich die Auseinandersetzung mit der abstrakten Gestaltung in Malerei, Plastik und Objektkunst. Dabei gibt es manche Übergänge zu figuraler oder "konkreter" Darstellung.

Die Künstler, die in dieser Ausstellung vertreten sind, zählen zum "Who’s Who" der letzten sechzig Jahre in der österreichischen Kunst-Szene. Bewusst sind einige Werke von Künstlern eingefügt, denen größere Aufmerksamkeit zukommen sollte, wie etwa Skulpturen von Josef Pillhofer. Neben den Werken der Österreicher zeigt die Ausstellung auch Werke der Ungarn Dóra Maurer und János Megyik, des in Deutschland lebenden Briten Tony Cragg, der amerikanischen Künstler Robert Motherwell und Matt Mullican, oder den französischen Vertreter des "Informel", Georges Mathieu.

Einen besonderen Eindruck macht die subtile Gegenüberstellung des großformatigen Bilds "Open White and Black" (1969) von Robert Motherwell mit der gläsernen "Installation" auf mehreren Ebenen, die Tony Cragg "Eroded Landscape" nennt. Rund 500 gläserne Objekte, zum Teil mit Löchern, wurden dabei "sandgestrahlt", was einen ganz seltsamen Eindruck von matten Oberflächen erzeugt. Diese "erodierte Landschaft" ist ein ebenso besonderes Werk mit verfremdeten Objekten, dessen Aufstellung einige Tage in Anspruch nahm.

Bernhard Widder, geboren 1955, lebt als Schriftsteller, Lyriker, Essayist, Übersetzer, Architekt und Architekturkritiker in Wien.

Weitere Informationen unter:www.museumliaunig.at