)
Die Europäische Kommission hat kürzlich einen Verhaltenskodex angenommen, der die Kontakte von Interessenvertretern mit den Beamten der Kommission regelt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Interessenvertretung ist ein legitimes Element demokratischer Systeme. In diesem Sinne sind in Brüssel etwa 15.000 Lobbyisten und 2500 Lobby-Organisationen tätig. Im Europäischen Parlament sind weitere 5000 Interessenvertreter registriert.
Unter Interessenvertretung beziehungsweise Lobbyarbeit werden Tätigkeiten verstanden, mit denen auf die Politikgestaltung und den Entscheidungsprozess der europäischen Organe und Einrichtungen Einfluss genommen wird. Darunter fallen aber nicht Tätigkeiten der Rechtsberatung, Aktivitäten der Sozialpartner und Tätigkeiten, die auf direktes Ersuchen der Kommission vorgenommen werden.
Als Interessenvertreter gelten alle Organisationen und Einrichtungen - nicht jedoch Einzelpersonen - mit Ausnahme lokaler, regionaler, staatlicher und internationaler Behörden.
Transparenzinitiative
Am 21. März 2007 nahm die Kommission eine Mitteilung über Folgemaßnahmen zu dem Grünbuch "Europäische Transparenzinitiative" [KOM(2007) 127] an, in dem sie ankündigt, einen allgemeinen Rahmen für ihre Beziehungen zu Interessenvertretern aufzustellen. Dazu gehört die Einrichtung eines neuen freiwilligen "Registers für Interessenvertreter", die Ausarbeitung eines "Verhaltenskodex", die Einführung eines Überwachungs- und Durchsetzungsverfahrens für den Kodex und das Register sowie die Einrichtung einer Standard-Webseite für Internetkonsultationen.
Im Zuge der Umsetzung dieser Mitteilung fanden von Mitte Dezember 2007 bis Mitte Februar 2008 umfangreiche öffentliche Konsultationen statt. Als deren Ergebnis hat die Kommission am 27. Mai 2008 eine "Europäische Transparenzinitiative - Rahmen für die Beziehungen zu Interessenvertretern (Register und Verhaltenskodex)" angenommen, die in ihrem Anhang einen "Verhaltenskodex für Interessenvertreter (Lobbyisten)" enthält.
Obwohl die Mitglieder und Bediensteten der Kommission durch den EG-Vertrag (Artikel 213 und 287), das Beamtenstatut (Artikel 11 bis 18), den "Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder" und den "Kodex für gute Verwaltungspraxis" in ihrer Amtsführung bereits jetzt zu einem korrekten Verhalten verpflichtet sind, soll ihre Unabhängigkeit durch einen Verhaltenskodex für Lobbyisten noch weiter abgesichert werden.
Sieben Grundregeln
Der Verhaltenskodex enthält sieben Grundregeln für Interessenvertreter in Bezug auf die Wahrnehmung ihrer Aufgaben, die sich dabei von den Grundsätzen der Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und Integrität leiten lassen sollen. Im Falle eines mutmaßlichen Verstoßes kann jedermann bei der Kommission Beschwerde einlegen. Das hat die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Folge, an dessen Ende unter Umständen die vorübergehende Streichung oder gar der Ausschluss eines Lobby-Organisation aus dem Register stehen kann.
Mit der Verabschiedung des Verhaltenskodex und der Einrichtung des Registers zum 23. Juni 2008 verfügt neben dem Europäischen Parlament (EP) nunmehr auch die Kommission über ein Regulativ für Lobbyisten. Sinnvoll wäre allerdings eine einzige interinstitutionelle Registrierung und ein einziger interinstitutioneller Kodex für alle Organe und sonstigen Einrichtungen in der EU. Die Kommission hat daher das EP, den Ausschuss der Regionen und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss ersucht, diese Möglichkeit eines einzigen Verhaltenskodex und eines einzigen Registers für Lobbyisten zu prüfen.
Alle Beiträge dieser Rubrik unter:
www.wienerzeitung.at/
europarecht
europarecht@wienerzeitung.at